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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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allem ‘ne ruhige Kugel schieben und hoffen, bald in Pension zu gehen. Die acht ›Freunde‹ sind da anders.« Er trank den Rest des Wodkas aus dem kleinen Becher. Fiona nickte. Seit 1945 hießen die Russen offiziell nur »Freunde«, selbst wenn ein deutscher Kriegsteilnehmer etwa schilderte, wie einst die Freunde seinen Schützengraben gestürmt und seine Kameraden mit dem Bajonett aufgeschlitzt hatten. »Vielleicht trinke ich doch einen Schluck«, sagte Fiona. Renn wischte den Rand des Bechers mit den Fingern ab und schenkte ihr ein. »Sechs von diesen Freunden sind in anderen Abteilungen und würden nicht befördert werden, ganz gleich, was Ihnen passierte.«
Fiona nahm einen kleinen Schluck Wodka. Verdammt starkes Zeug. Kein Wunder, daß der alte Mann viele rote Äderchen im Gesicht hatte. »Ich verstehe«, sagte sie. Zwei Russen blieben übrig, beide Deutschlandspezialisten: Pawel Moskwin und der, der unter dem angenommenen Namen (auch Lenin und Stalin hatten ihre ja angenommen) Erich Stinnes operierte. Dies waren die beiden Männer, mit denen sie am Nachmittag während der Konferenz aneinandergeraten war. Beides abgebrühte Profis, die sie hatten wissen lassen, daß sie nicht freudig einwilligen würden, Befehle von einer Frau anzunehmen. Der Streit war während der Erörterung einer geplanten Mission nach Mexiko-Stadt ausgebrochen. Sie hatte den Verdacht, daß sie sich darauf nur versteift hatten, um ihr klarzumachen, wieviel Widerstand sie ihr mit vereinten Kräften entgegensetzen konnten. Renn sagte: »Der Große – Moskwin – ist der Gefährlichere von beiden. Er hat erheblichen Einfluß innerhalb der Parteimaschinerie. Im Augenblick ist er in Moskau unten durch – irgendein Schwarzmarktskandal, der nie an die Öffentlichkeit gekommen ist – , und solche Männer machen manchmal die absurdesten Sachen, um ihren Wert zu beweisen. Er ist emotional und gewalttätig; und gut angepaßte Leute werden oft Opfer plötzlicher und unbedachter Aktionen. Der andere – Erich Stinnes, der so gut berlinert – ist ein Intellektueller: eiskalt und berechnend. Er denkt immer an langfristige Ziele. Jemand, der so intelligent ist wie Sie, wird mit ihm besser als mit Moskwin auskommen.«
»Hoffentlich«, sagte Fiona.
»Wir müssen einen Keil zwischen sie treiben«, sagte Renn.
»Wie?«
»Es wird uns schon eine Methode einfallen. Moskwin ist ein tüchtiger Verwaltungsmann, aber Stinnes hat als Agent im Einsatz gestanden. Solche Leute, die draußen auf sich selbst gestellt waren, lernen nie die richtige Disziplin.«
»Das ist wahr«, sagte Fiona und dachte an ihren Mann und dessen endlose Schwierigkeiten mit dem Londoner Büro.
»Lassen Sie sich Ihre Autorität nicht untergraben. Moskau hat Sie hier eingesetzt, weil man dort wünscht, daß sich hier verschiedenes ändert. Wenn es Widerstand gibt, wird Moskau die Kraft unterstützen, die auf Veränderung drängt. Lassen Sie also keinen Zweifel daran aufkommen, daß Sie diese Kraft sind.«
»Sie sind ja fast ein Philosoph, Herr Renn.«
»Nein, Frau Direktor, ich bin ein Apparatschik.«
»Was immer Sie nun sein mögen, jedenfalls bin ich Ihnen dankbar, Herr Renn.«
Sie suchte in ihrer Handtasche, fand Aspirintabletten und schluckte zwei davon ohne Wasser.
»Nicht der Rede wert«, sagte der alte Mann, der ihr dabei zusah, obwohl sie natürlich beide wußten, daß er Kopf und Kragen riskiert hatte. Noch wichtiger war seine Andeutung, daß er unter anderen Umständen wahrscheinlich noch entgegenkommender sein würde. Fiona fragte sich, ob er schon berechnete, was sie umgekehrt für ihn tun könnte. Aber sie ließ die Frage auf sich beruhen. Man würde ja sehen. Inzwischen gewann sie in ihm wahrscheinlich einen höchst wertvollen Verbündeten.
»Für Sie vielleicht nicht, aber wenn man in einer neuen Stellung anfängt, weiß man ein freundliches Wort zu schätzen.« Renn, der die Brücke beobachtet hatte, berührte seinen Hut wie zum Gruß. Tatsächlich lockerte er nur dessen Sitz, denn das Hutband war zu eng. »Jeder nach seinen Fähigkeiten; jedem nach seinen Bedürfnissen«, zitierte der alte Mann, wobei er die Flasche wieder in die Gesäßtasche steckte. »Und da kommt unser Volvo.« Nicht Wagen, dachte sie, sondern Volvo. Er war stolz, daß ihr ein Importwagen zugestanden wurde. Er lächelte sie an.
In einem Jahr oder so würde sie sich wieder nach Westen absetzen, und Hubert Renn würde bleiben und die Rechnung bezahlen. Stasiverhöre waren kein Vergnügen. Er würde

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