Gelobtes Land: Meine Jahre in Stalins Sowjetunion (German Edition)
mehr oder weniger geschlossenen Massiven kommen mitunter Tannen und Fichten vor. Reine Tannenwälder gibt es selten. Tannenholz geht vorrangig in die Bergwerke (als Grubenholz), zum kleineren Teil in die Papierfabriken. Wegen der vielen anfallenden Äste sind Tanne und Fichte bei den Holzfällern unbeliebt.
Neben der Birke ist die Kiefer, die sich an relativ trockenen Plätzen ansiedelt, die verbreitetste Baumart in der Taiga. Auch sie hat bei den Holzfällern einen schlechten Ruf – nicht wegen der Äste, sondern weil die Normen beim Kieferabbau am höchsten sind. Verwendet wird die Kiefer als Bauholz, als Material für Eisenbahnschwellen und als Grubenholz. Der obere Teil des Stamms und dickere Äste werden gestapelt und in der Regel als Brennholz auf die Normerfüllung angerechnet.
In Gruppen, manchmal auch in richtigen Kolonien treten wuchtige Espen auf, die im Herbst wegen der Rotfärbung ihres Laubes malerisch aussehen. Da sie immer unregelmäßig gewachsen, voller Äste und im Stammkern meist morsch sind, gelten sie nicht als Nutzholz. Doch werden sie, namentlich wenn sie in der Nähe von Siedlungen wachsen, gern als Brennmaterial genutzt. Ihr Heizwert ist zwar gering, doch lässt sich ihr weiches Holz leicht sägen und spalten.
Vereinzelt trifft man in der Taiga auch auf Lärchen und sibirische Zedern. Die im Frühjahr in einen zauberhaften zartgrünen Schleier gehüllten Lärchen sind oft imposante Riesen – wie Könige überragen sie alle Baumwipfel ringsum. Ihr Holz ist jedoch außerordentlich hart, schwer und mühselig zu bearbeiten. Beim Flößen müssen Lärchen, deren spezifisches Gewicht nahe 1,0 kg/l liegt, sogar mit anderen Bäumen zusammengebunden werden, um sie über Wasser zu halten. Als Nutzholz werden Lärchen wie Kiefern verwertet.
Hart ist auch das Holz der Zedern, die aber wegen ihres knorrigen Wuchses keine Rolle in der Forstwirtschaft spielen. Gefällt werden sie (sozusagen im Raubbau) nur von Einheimischen, die es vorziehen, die wegen ihrer Nüsse begehrten Zapfen vom liegenden Baum zu ernten. Die Waldarbeiter fluchen über die Zedernleichen, weil sie die ineinander verschachtelten Äste abhacken und – je nach Jahreszeit – aufschichten oder verbrennen müssen. Die Nüsse der Zedern reifen jedoch nur alle vier Jahre.
Beim ersten Ausmarsch in die Taiga werden wir vom techruk (Technischer Leiter) des Lagpunktes, einem lustigen Sträfling, der sich als Andrej Andrejewitsch vorstellt, in die Kunst des Baumfällens eingewiesen. Er gehört zu den wenigen beskonvojnye (Freigängern) des Lagers. Um diesen Status zu bewahren, redet er Bujewitsch stets nach dem Mund und betätigt sich wahrscheinlich als Zuträger.
Zuerst demonstriert uns Andrej Andrejewitsch, wie man den Schnee um die Bäume herum möglichst tief niedertrampelt. Das ist wichtig, erklärt er: Wenn die Baumstümpfe (was dann nach der Schneeschmelze auffällt) zu hoch geraten, werden uns einige Prozente von der Normerfüllung abgezogen. Dann zeigt er, sich den einen oder anderen aus unserer Mitte als Partner greifend, in welcher Höhe die Säge anzusetzen ist, wie weit der erste Einschnitt (Fallkerb) geführt wird und wie man das Kippdreieck über dem Einschnitt aus dem Stamm schlägt, damit der Baum in eine bestimmte Richtung fällt. Er führt uns auch vor, wie man, wenn die Säge klemmt, einen Keil einschlägt, ihn wieder herausbekommt und wie man gegebenenfalls mit einer Stange nachhilft, usw.
Nachdem die erste mächtige Kiefer mit ohrenbetäubendem Getöse zu Boden gegangen ist (nie hätte ich gedacht, dass ein Baum solchen Krach verursacht), ermahnt uns der techruk , nie den fallenden Baum aus den Augen zu lassen. Von einem Baum, und sei es nur von seinen äußersten Ästen, erwischt zu werden ist lebensbedrohlich. Mit genau sitzenden Schlägen demonstriert er sodann, wie die Äste sauber abgehackt und feuergerecht zerkleinert werden. Zudem lehrt er uns, wie man Birkenrinde anzündet und nasses Holz zum Brennen bringt (das allerdings eher theoretisch, denn er bedient sich eines Streichholzes, das wir natürlich nicht besitzen, sodass wir künftig darauf angewiesen sind, die vom Vortag gehütete Glut anzufachen beziehungsweise – wenn man uns ein neues Revier zuweist – aus einem mitgebrachten glimmenden Strick Feuer zu machen). Dass die durch die Luft schwebenden glühenden Reste von Blättern und kleinen Zweigen unsere Kleider verbrennen, sich hartnäckig ins Wattefutter der Jacken und Mäntel hineinfressen
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