Gelöscht (German Edition)
ihn hergebracht.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Jemand hat ihn gestern verletzt auf der Straße gefunden und ihn mir gebracht, damit ich mich um ihn kümmere. Ich habe ihn heute mit in die Praxis genommen und dem Arzt gesagt, wem die Katze gehört. Aber er hat ihn trotzdem gescannt, nur um sicherzugehen, dass ihr wirklich die Besitzer seid.«
»Vielen, vielen Dank.«
Sie legt mir Sebastian in den Arm.
»Du brauchst dir deshalb nicht einzubilden, dass wir nun Freunde sind. Das ändert gar nichts, Chip-Kopf«, sagt sie, sieht mich finster an und verschwindet durch die Tür.
Ich drehe mich um. Dad ist wieder im Raum und hebt eine Augenbraue. Er sieht nachdenklich aus.
Er hält mir die Tür auf. »Komm, wir fahren heim.«
Wir steigen ins Auto und sind fast schon zu Hause, als Dad sagt: »Das war sie, oder.« Es ist eine Aussage, keine Frage.
»Wer?«
»Das Mädchen, das zu dir gesagt hat, du wärst ein Spitzel.«
Ich antworte nicht. Wenn ich Ja sage, bin ich tatsächlich ein Spitzel.
Das Erste, was ich am nächsten Morgen neben mir höre, ist ein tiefes, gleichmäßiges Schnurren: Sebastian. Er scheint mein Kopfkissen zu seinem Schlafplatz auserkoren zu haben und hat es sich darauf bequem gemacht. Ich jedenfalls lasse ihn schlafen, wo er möchte.
Er wirkt unbeeindruckt von seinen Erlebnissen: erst ein Kampf mit einem Fuchs oder anderen Kreaturen, dann wurde er gerettet und zu Phoebe gebracht und daraufhin vom Tierarzt genäht. Von Mum hat er, als wir gestern nach Hause kamen, zur Feier des Tages sein Lieblings-Leckerli zum Abendessen bekommen. Pappsatt hat er es sich dann auf meinem Bett bequem gemacht und ist eingeschlafen.
Ich denke über Phoebe nach. Ich verstehe sie einfach nicht. Sie ist so ätzend, aber das Rotkehlchen hat ihr vertraut. Sebastian lag schnurrend in ihren Armen, und sie hat ihn mir zurückgegeben, obwohl sie mich nicht mag. Ich sehe noch genau ihren Gesichtsausdruck vor mir, als sie ihn mir gereicht hat: Sie wollte ihn nicht hergeben, hat es aber trotzdem getan. Sie muss Tiere viel lieber mögen als Menschen.
Aber mir bedeutet Sebastian auch mehr als die meisten Menschen, also kann ich mir wohl kaum ein Urteil erlauben.
Heute müssen Amy und ich den Bus nehmen, weil Jazz auf Klassenfahrt ist.
Als ich an Phoebes Platz vorbeilaufe, überlege ich einen Augenblick, ob ich anhalten und ihr sagen soll, dass es Sebastian gut geht. Aber sie blickt mich finster an und schüttelt leicht den Kopf. Also lautet die Antwort
nein.
Ich setze mich hinten zu Ben.
»Hey«, sagt er. »Alles klar bei dir?«
»Sebastian ist wieder da.« Ich senke meine Stimme und erzähle ihm, was gestern Abend passiert ist und was Phoebe getan hat.
»Ist wohl ’ne Lehre für dich«, sagt er.
»Was meinst du?«
»Dass Menschen nicht immer so sind, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Sie hat dir geholfen – wer hätte das gedacht? « Er lächelt.
Aber ich bin mir sicher, dass sie es für Sebastian getan hat, nicht für mich.
Das ändert gar nichts
, hat sie gestern gesagt.
Mrs Ali wartet vor meiner ersten Stunde auf mich.
»Können wir uns kurz unterhalten?«, fragt sie und zieht mich in ein leeres Büro auf der anderen Seite des Flurs, ohne meine Antwort abzuwarten. Sie schließt die Tür hinter uns.
»Stimmt etwas nicht?«, frage ich.
»Sieh mich nicht so besorgt an, Kyla. Du hast nichts verbrochen. Aber du weißt, dass ich hier bin, um dir zu helfen.«
»Äh, ja klar.«
»Hör mal. Wenn dich irgendjemand in der Schule belästigt oder dich ärgert, musst du es mir sagen. Ich möchte nicht über Dritte von solchen Dingen erfahren. Es sieht sonst so aus, als würde ich meinen Job nicht richtig machen.«
Ich starre sie verwirrt an. Die Einzige, auf die diese Beschreibung zutrifft, ist Phoebe, doch niemand außerhalb der Schule weiß, dass sie mich nicht mag. Und wir waren allein im Wald, als sie mich beschimpft hat. »Das verstehe ich nicht. Was haben Sie denn gehört?«
Mrs Ali lächelt und schüttelt leicht den Kopf. »Arme Kyla. Diese Welt muss verwirrend für dich sein. Deshalb bin ich für dich da: um dir zu helfen, wenn es Probleme gibt. Aber das kann ich nicht, wenn du mir nicht auch hilfst. Also, gibt es etwas, das du mir sagen willst, Kleine?«
»Nein. Ich weiß nicht, was Sie meinen«, antworte ich, aber ich bin mir sicher, dass sie von Phoebes Anschuldigungen weiß und nun will, dass ich ihr alles darüber erzähle.
Aber ganz egal, was Phoebe gesagt hat, ich bin kein Spitzel. Und wie
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