Gelöscht (German Edition)
neugierig an. Er wartet ganz offensichtlich darauf, dass ich anfange zu reden, aber plötzlich bin ich mir unsicher, was ich sagen soll.
Ich gehe im Kopf die Fakten durch: Phoebe war gemein zu mir. Sie wurde von den Lordern aus der Schule geholt und war bei der Heimfahrt nicht im Bus. Aber das ist schon alles, was ich weiß.
Ich renne, so schnell ich kann. Ben hält mit mir Schritt, doch seine viel längeren Beine müssen nicht so hart arbeiten wie meine.
»Bei der Geschwindigkeit sind wir zu früh da«, bremst er mich. »Langsamer?«
Also werden wir langsamer und fallen in ein leichtes Joggen.
»Geht’s um Phoebe?«, fragt er.
»Was weißt du?«
»Ich hab heute Nachmittag davon gehört, als ich aus dem Bus gestiegen bin. Es wurde getuschelt, dass sie am Morgen angeblich in einen Van der Lorder geschubst worden sei. Das sind alles nur Gerüchte. Keiner hat tatsächlich selbst etwas gesehen. Aber sie war heute nicht im Bus.«
»Es stimmt aber. Ich habe die Lorder gesehen. Zwei von ihnen sind in das Klassenzimmer gestürmt und kamen eine Minute später wieder raus. Einer hat Phoebe am Arm mitgeschleift. Sie sind mit ihr den Flur hinunter und aus dem Gebäude verschwunden.«
»Weiß irgendwer warum?«
»Das wollte ich dich fragen.«
Er zögert. »Ein paar Leute denken, du könntest sie verraten und in Schwierigkeiten gebracht haben.«
»Das stimmt nicht! Das würde ich niemals tun!«
»Ich weiß. Vor allem, nachdem sie dir deine Katze zurückgegeben hat«, sagt er, und ich kann sehen, dass er davon überzeugt ist. Aber ich bin mir selbst nicht so sicher. Ich könnte etwas damit zu tun gehabt haben, absichtlich oder nicht.
»Ist sonst noch was?«, fragt er.
Ich zucke mit den Schultern. »Phoebe hat mich als Regierungsspitzel beschimpft. Wegen des Chips in meinem Kopf.«
»Das ist nicht wahr.«
»Aber was, wenn es so ist und wir es einfach nicht wissen? Vielleicht habe ich sie verraten, ohne es überhaupt zu ahnen? Vielleicht hat einfach nur irgendjemand mein Hirn gescannt und – schwups – ist sie weg. Nur weil sie Dinge zu mir gesagt hat, die der Regierung nicht passen.«
Ben schüttelt den Kopf. »Das kann nicht sein.«
»Warum? Woher willst du das wissen?«
»Wenn es so wäre, dann wären wir als Erste verschwunden.«
Ich starre ihn entsetzt an. Aus Gewohnheit schaue ich auf mein Levo, doch der Wert ist vom Laufen immer noch oben, bei fast 7. Aber meine Haut reagiert auf das, was Ben gesagt hat, und prickelt, als würden mich Hunderte Nadeln stechen. Ich zittere. Er hat recht. Wir haben über Tori und die anderen gesprochen, die aus der Versammlung geholt wurden, und haben uns gefragt, was mit ihnen passiert ist. Das war viel schlimmer als alles, was Phoebe gesagt oder getan hat.
Trotzdem werde ich das schreckliche Gefühl nicht los, dass alles meine Schuld ist. Mrs Alis Drohung war deutlich genug. Sie hat mich gewarnt, dass es ihr nicht gefällt, wenn sie Dinge von anderen erfährt. Sie muss etwas über Phoebe gehört haben und irgendwie hatte es mit mir zu tun.
»Ich hab noch etwas anderes herausgefunden«, sagt Ben. »Nämlich warum jemand deine Katze zu Phoebe gebracht hat. Sie kümmert sich um viele verletzte Tiere, zum Beispiel, wenn sich die Besitzer den Arzt nicht leisten können. Sie kann gut mit Tieren umgehen.«
Doch wer kümmert sich jetzt um sie?
»Lass uns laufen«, sage ich und lege wieder los.
Wir rennen am Gemeindesaal vorbei, wo bald die Gruppe beginnt, und joggen weiter. Während ich auf das gleichmäßige Geräusch meiner Schritte lausche und mein Körper von Müdigkeit zu Erschöpfung wechselt, denke ich an all die Dinge, die ich Ben nicht erzählt habe. An Lucy Connor, das vermisst gemeldete Mädchen, und an Robert – Robby –, der die Bombe überlebt hat, aber trotzdem auf dem Mahnmal steht.
Schließlich kehren wir um, weil es Zeit für die Gruppe ist. »Wir kommen zu spät«, warne ich.
»Ja, und?« Ben zuckt nur mit den Schultern. Er ist immer zu spät. Aber ich bin mir sicher, dass sein Bonus bei Penny nicht für mich gilt.
Mit einer Verspätung von 15 Minuten stürmen wir in den Raum.
»Ich wollte gerade deine Mutter anrufen«, sagt Penny zu mir, die Hände in die Hüften gestemmt. Kein Wort zu Ben.
»Sorry! Das ist alles meine Schuld«, entschuldigt sich Ben. »Ich hab die lange Strecke genommen und wir hatten nicht mehr genug Zeit für den Rückweg.«
Sie schmilzt sofort dahin und lächelt Ben an. »Oh, na ja, dann … okay. Also setzt euch, ihr zwei.
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