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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Ich fühlte mich ein bisschen angetrunken, das gute Zeug vermischte sich mit den Kodeintabletten, die ich zuvor auf nüchternen Magen geschluckt hatte. »Aber meine Frau würde es missbilligen, wenn ich mich Ihrer Familie aufdränge.«
    »Eine Frau, ja. Gut. Gut.«
    »Sorry, ich meinte natürlich Exfrau.«
    »Ah, Exfrau, nicht gut.«
    »Da haben Sie mal voll recht. Lassen Sie mich kurz von der S-c-h-e-i-d-u-n-g erzählen, der d-i-v-o-r-c-e …«
    Er kannte den Song, überraschte mich, sang mit:
    »D-i-v-o-r-c-e …« Wir brachten die Wände zum Wackeln, lagen uns in den Armen und lachten schallend, als die Tür aufflog und eine alte Frau in einem Sari hereinkam, die Rafi sofort in scharfem Ton anpfiff. Für diese Sachen muss man keine besondere Sprache verstehen, es ist auf der ganzen Welt das Gleiche. Er schrumpfte vor meinen Augen zusammen, senkte den Kopf. Ich folgte seinem Beispiel. Als sie ging, die Tür hinter sich krachend ins Schloss fallen ließ, stand ich auf.
    »Zeit zu gehen …« Ich musste Hod treffen und mit ihm zu dem Pit-Fight hinausfahren. »Ich habe Ihre Gesellschaft sehr genossen, Rafi, aber ich muss jetzt wirklich los.«
    Wieder dieses strahlende Lächeln. Händeschütteln. »Jederzeit wieder, Mr. Gus! Jederzeit, jederzeit.«
    Als er meine Hand fest umklammerte, kam mir ein Gedanke. »Rafi, wenn es unsere Freundschaft nicht zu sehr strapaziert, dann würde ich Sie gern um eine Gefälligkeit bitten …«

E s regnete. Anschließend sahen die Straßen frisch gewaschen aus. In dieser Stadt ist das schon mal was. Laut Lokalpresse kämpfte der Rat mit einem »schwarzen Loch im Haushalt«. Es erstaunte mich immer wieder: In jeder anderen Stadt auf dieser Welt schafft man es irgendwie, die Abfallbehälter zu leeren, die Parks in Ordnung zu halten und die Straßen zu reinigen. Edinburgh hingegen kann man getrost vergessen, sofern nicht Bauunternehmer geschmiert werden oder massive Einnahmen aus dem Tourismus fließen. Täglich bekommt die Bevölkerung von der Bande im Rathaus eine reingewürgt. Das bringt mir die Pisse echt zum Kochen. So eine malerische Stadt. Eine Weltkulturerbe-Stadt. Aber in Wirklichkeit doch nur ein Honigtopf für die wenigen mit den Fingern an den Hebeln der Macht.
    Ich ging in den nächsten Zeitschriftenladen. Bestellte: »Zwanzig Rothmans bitte, ach, machen Sie vierzig draus.«
    Hinter der Theke in einem Regal gab es eine Sammlung Flaschen. Lambrusco im Angebot, ein großer, neonorangener Stern daneben verkündete: £ 1,99. Kam nicht mal in Versuchung. Nachdem ich allerdings mit Rafi in Sighthill mit dem Whisky angefangen hatte, hörte ich jetzt nicht auf. »Oh, und packen Sie noch ein paar von den kleinen Flaschen da dazu.«
    Ich zeigte auf den Wodka. Der verdrängte im Lebensmittelhandel zunehmend unseren guten alten Alk; war die erste Wahl unseres Zustroms polnischer Einwanderer.
    Der Zeitungshändler stellte die Flaschen vor mich hin. Ich warf einen Blick auf die Etiketten – ein Name, den ich noch nie gehört hatte. Steckte sie ein. Auf der Straße wartete ich dann auf Hod, mühte mich ab, das Zellophan von meinen Kippen abzuschälen, steckte mir eine an.
    Der Rauch neutralisierte den Geruch von Feuchtigkeit, der von den Betonplatten des Bürgersteigs aufstieg. Es war wie eine alte Erinnerung, die ganz weit hinten im Gehirn abgelegt worden war: Feuchtigkeit, Nässe, Regen … Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dann sind das die Hintergrundbilder jeder Szene. Mein Leben wurde in den Farbtönen der frühen Gemälde van Goghs gelebt, grau und grauer. Die wenigen farbigen Momente hatten ausnahmslos mit Debs zu tun, allerdings kam sie heute auch in vielen der grauen Tage vor.
    Ich hatte eine Mossberg-Pumpgun unter meinem Crombie. Rafi hatte sie mir verkauft. Mit einer Hand hielt ich den Lauf gut fest. Als ich die Straße überquerte, stieß mir die Knarre bei jedem Schritt in die Rippen. Ich wusste, dass es meinen Mantel nach unten zog. Ich kam mir irgendwie schief vor, aber wer sah bei dem Regen schon genauer hin?
    Keine halben Sachen mehr. Und Schluss.
    Es war ein kalter Abend. Dunkle Wolken sammelten sich an den Rändern eines roten Himmels. Während ich am Straßenrand wartete, arbeitete ich mich durch meine Rothmans King Size. Die Schärfe der Luft schien der Zigarette den Geschmack zu nehmen, also drückte ich sie aus. Aus irgendeinem Grund dachte ich wieder an Debs. An Abenden wie diesem hatte unsere Beziehung begonnen. Froren uns fast den Arsch ab auf Parkbänken,

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