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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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beheizten Ledersitz bequem machte und locker fuhr. Eine seiner kleinen Krisen mochte ja jetzt vorbei sein, aber ich wusste, meine große war es noch nicht. Ich meine, welche Rolle spielte es für mich, wer am Ende den Fall übernahm? Mir wurde immer noch ein Mord angehängt.
    »Fitz, wenn Jonnys Arsch vor die Tür gesetzt wird, dann wird es übel werden.«
    »Nein, es ist gut.«
    »Für wen?«
    Fitz runzelte die Stirn, griff nach einer Kippe und drückte den Zigarettenanzünder. »Für mich und Sie, natürlich.«
    »Inwiefern hilft es mir zu wissen, dass der Mann, der mich einlochen will für einen Mord, den ich nicht begangen habe, von dem Fall abgezogen wird? Das wird ihn doch nur noch wütender machen.«
    Fitz hielt die Kippe im Mund, schürzte die Lippen und machte kleine Kussgeräusche auf dem Filter, während er paffte. »Dury, entspannen Sie sich doch mal … Sie müssen das große Ganze sehen.«
    »Dann helfen Sie mir auf die Sprünge, Fitz … Was ist denn das große Ganze?«
    »So wie ich das sehe, bekommen Sie mehr Zeit, Fultons Mörder zu finden, wenn Jonny den Stiefel bekommt. Hart, aber das sind die Fakten.«
    »Das ist Ihre ernsthafte Überzeugung?«
    »Ja … nennen wir es einfach mal meine professionelle Beurteilung aller, äh, derzeit bekannten Faktoren.«
    »Ich weiß, wie ich’s nennen würde.«
    »Wie denn?«
    »Ein Ticket für eine Session mit den Knackis unter der Dusche.«

F itz setzte mich in der New Town ab, auf halber Höhe der Queen Street. Ein afrikanisches Trommlerquartett, mit Löwenmähnen und Kriegsbemalung, wetteiferte mit einem einsamen Dudelsackspieler. Die Touristen mieden die einheimische Darbietung, und er legte an Lautstärke zu. Ich dachte mir, ich würde gern miterleben, wie die Sache unschön wurde: Löwen sind eine Sache, aber die Schotten wissen, wie man schmutzig kämpft. Die Stadt hatte es unseren Nationalmusikern schwer gemacht, indem man sie von der Hauptverkehrsstraße verbannte, der Royal Mile. In ihrer unbegrenzten Weisheit hatten die Stadtväter beschlossen, jene Dudelsackspieler, die sich über die neuen Vorschriften hinwegsetzten, mit Strafzetteln wegen antisozialem Verhalten zu überziehen. Antisoziales Verhalten? Was zum Teufel sollte das sein? In meiner Zeit bedeutete antisozial zu Hause bleiben, um sich Fußball auf Scotsport anzusehen, anstatt runter in die Kneipe zu gehen. Sie verstümmelten die Sprache, um unseren Verstand zu verstümmeln … Als hätte meiner das noch nötig.
    Wie benommen lümmelte ich herum. Keine Ahnung, wie oft ich nach dem Weg zur Rosslyn Chapel gefragt wurde. Scheiß Da Vinci Code. War schon lange nicht mehr lustig; Mann, hörte das jemals auf? Eines Tages wird noch jemand dieses Buch wie einen Analstöpsel tragen.
    Ich wusste, dass ich herumtrödelte. Meine Füße glitten über den Bürgersteig. Schon bald konnte ich die Worte »Du hast ein Gesicht wie ein Windhund mit Verstopfung« in meine Richtung wehen hören. War mir egal. Als könnte ich mich noch schlechter fühlen.
    An der Kreuzung St. Andrew Street hielt mich die Scottish National Portrait Gallery auf. Das ist immer so. Das rote Sandsteingebäude ist der absolute Knüller zwischen all den grauen Plätzen, Rondellen, Parks und Terrassen dieses aristokratischen Ghettos. Nimmt man dann noch die italienische Gotik hinzu, befindet man sich hundertpro in echtem Eyecatcher-Gebiet. Aber nichts davon haut mich um: Die haben das Porträt meines Vaters dort hängen.
    Cannis Dury, Weltmeisterschaftskader, Spanien ’82 steht auf der Messingplakette darunter. Muss gut eins dreiundachtzig hoch sein. So groß war er im wirklichen Leben nie. War auch nicht nötig. Ein besseres Beispiel für den Napoleon-Komplex dürfte schwer zu finden sein. Bei diesem Typ lautet das Mantra: um den Respekt kämpfen, der einem aufgrund der geringen Körpergröße vorenthalten wird.
    Und das tat er auch. Und nicht nur im Stadion. Meine Mutter, Gott segne ihr geschundenes Herz und ihre Seele, hat das meiste abbekommen. Allein der Gedanke daran erinnerte mich, wie sehr ich sie seit der Beerdigung meines Vaters vernachlässigt hatte. Ich wusste, dass ich sie bald anrufen musste; was hielt mich davon ab?
    Der Anblick der Galerie erinnerte mich jedes Mal daran, dass mein Vater dort drin war. Überlebensgroß. Weiterlebte. Als benötigte ich jemals eine Erinnerung an ihn. Auf seinem Sterbebett hatte er mich um Verzeihung gebeten, aber das änderte nichts.
    Eine alte Frau erwischte mich, wie ich zu den Spitzen

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