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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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es das ziemlich zu treffen.
    Das verspiegelte Fenster vor uns gab nichts preis. Ich wusste, dass Johnstone dahinter auf und ab schritt. Er hatte seinen Zeugen präpariert, dirigierte wen immer dazu, mich für etwas herauszupicken, das ich nicht getan hatte. Ich wusste es. Ich konnte es spüren. Mein Verstand lief Amok angesichts dessen, was da hinter diesem Fenster abging.
    »Alle nach rechts drehen!«
    Ich spürte, wie ich weiche Knie bekam, als ich mich bewegte. Auf Rod Hulls Hinterkopf schien irgendwas zu krabbeln. So was wie Maden auf einer Leiche. Ich musste mich abwenden, mir zog sich der Magen zusammen.
    »Stillhalten, die Arme an die Seiten.«
    Ich schloss die Augen und versuchte mir vorzustellen, ich wäre ganz woanders. Dann kehrten die Bilder zurück. Die Leiche im Unterholz, das Blut. Die Fotos von der Leiche, wie sie auf dem Obduktionstisch im Leichenschauhaus lag. War ich wirklich in der Verfassung für so was? War ich wirklich hier? Es war doch alles todsicher nur ein Traum.
    »Alle nach links drehen!«
    Ich öffnete die Augen und stand im Windschatten des kanadischen Fallenstellers. Sein Rücken war breit wie eine Scheißhaustür. Ich konnte einfach nicht fassen, dass es so weit gekommen war. An welchem Punkt war gottverdammt alles falschgelaufen? Ich hatte mal ein richtiges Leben … Karriere, Job, keine Kinder, aber wessen Schuld war das?
    »Alle wieder nach vorn drehen!«
    Erneut starrte ich auf das Fenster. Jetzt versuchte ich mir nicht mehr vorzustellen, was sich dahinter befand. Es war vielmehr das, was sich davor befand, das meine Aufmerksamkeit bannte. Da war ich. Ich. Gus Dury. Roh wie alles Gedärm. Das Gesicht immer noch zerschrammt und ramponiert. Der Anflug eines Veilchens. Und dann diese dunklen Ringe unter den Augen. Gott, Gus, wann ist alles schiefgelaufen? An welchem Punkt? An welchem gottverdammten Punkt ist alles so schrecklich den Bach runtergegangen?
    »Wenn jetzt bitte alle nacheinander durch die Tür dort hinten den Raum verlassen würden.«
    Ich riss mich mit Gewalt aus meiner Benommenheit. »Alle?«
    Ich schlurfte mit den anderen raus. An der Tür hielt ich nach Johnstone Ausschau, der mit seinen Handschellen auf mich wartete. Weit und breit nichts von ihm zu sehen. Dann eine ziemliche Aufregung am Ende des Korridors, ein kurzes Aufblitzen von Boss-Zwirn, Pendeltüren, die aufgestoßen wurden.
    »Mr. Dury, könnten Sie bitte hier entlangkommen?«, bat mich der Schreibtischbulle.
    »Wo gehen wir denn hin?«
    »Wir machen die Entlassung.«
    »Was? Wie bitte?«
    »Sie können gehen.«
    »Dann war die Gegenüberstellung … das war alles nur eine verschissene Farce!«
    Der Sergeant beugte sich ganz nah zu mir, flüsterte. »Er – er ist identifiziert worden.« Er zeigte auf Rod Hull.
    Ich lächelte, stieß einen erleichterten Seufzer aus und sagte: »Ohne das Emu unter dem Arm sieht er einfach irgendwie nicht richtig aus, stimmt’s?«
    »Häh? Was?«
    »Schon gut.«

E s dauerte eine Ewigkeit, mich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Eine Horde Teenager, abgefüllt mit billigem Cider und Alkopops, wurde gerade aufgenommen. Sie waren alle mit Kabelbindern gefesselt. Die Mädchen unter ihnen heulten sich die Augen aus dem Leib. Schwarzes Mascara lief über ihre Wangen. Die Jungs waren still, wenn sie sich nicht gerade die Eingeweide aus dem Leib würgten. Es war ein Schauspiel, das praktisch jeden Abend landauf, landab wiederholt wurde. So war es schon, so lange ich mich erinnern konnte. Schotten und der Alk … O’er a’ the ills o’ life victorious – Siegreich über des Lebens sämtliche Übel …
    Und ich sagte: »Muss wohl am guten Wetter liegen, das macht Lust auf Party.«
    »Quatsch«, sagte der Schreibtischhengst, »so ist es schon das ganze Jahr.«
    Ich verkniff mir einen weiteren Kommentar – als könnte ich das beurteilen.
    Man händigte mir meinen Gürtel, die Schnürsenkel und zwei Plastikbeutel aus, in der einen meine Brieftasche und etwas Kleingeld, in der anderen mein Handy, Kippen und Streichhölzer.
    »War’s das dann?«, fragte der Sergeant.
    Ich nickte. »Denk schon.« Es hätten auch zwei Beutel mit heißer Luft sein können; ich hätte mich nicht beklagt, solange es bedeutete, aus diesem Loch herauszukommen.
    »Ich bin ja so was von tot«, meinte eines der Teenie-Mädels. »Mein Vater wird mich umbringen.« Sie brach in Tränen aus, und bei ihrer Freundin ging’s auch gleich los. Ich konnte nicht noch mehr davon ertragen. Merkwürdigerweise

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