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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zappeln, bis er sich sicher war, meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. »Er ist ein verfluchter Penner. Er trägt einen Rucksack auf dem Rücken und einen zweiten vor der Brust, deshalb nennt man ihn so.«
    »Ein Penner mit zwei Rucksäcken … brillant.«
    Fitz steckte sein Notizbuch ein. »Ich kann dir so viel sagen: Dieser Tupac-Knabe hat dir bei der Gegenüberstellung den Arsch gerettet. Er wohnt praktisch auf dem Corstorphine Hill, und er ist der Mann, der in dieser Nacht jemanden bei Moosey gesehen hat.«
    »Ist nicht wahr.«
    »Und ich sag dir noch was, auf den Kopf gefallen ist er auch nicht … J.J. hat den alten Säufer den ganzen Abend vor der Gegenüberstellung mit Buckfast abgefüllt, und trotzdem hat er nicht gemacht, was man ihm gesagt hat.«
    Dieser Tupac gefiel mir jetzt schon. »Ein echter Gentleman der Straße.«
    Fitz band das Tuch um seinen Hals. »Eher angelt er nach einem beschissenen Fass von dem Stoff. Typen wie der sind immer hinter was her, das sie umsonst kriegen können.« Er stand auf. »Okay, ich mach dann jetzt mal einen Abgang.«
    Ich war immer noch dabei, diese Information zu verdauen und mir meinen nächsten Schritt zurechtzulegen. Fast hätte ich vergessen, dass ich ja noch eine Aufgabe für Fitz hatte. Ich hob eine Hand. »Bevor Sie gehen, können Sie noch etwas für mich überprüfen?«
    Ein finsterer Blick. Herumgekaue auf der Unterlippe. Die Schwabbelbacken begannen zu wackeln, als Fitz sich in Fahrt brachte für eine weitere theatralische Pose. »Dury, du legst es wirklich drauf an, was?«
    Ich erhob mich von der Bank. »Könnten Sie einen Suchlauf nach einem weißen Corrado durchführen, Adresse höchstwahrscheinlich in Sighthill?«
    Ein knappes Nicken. Der Vorschlag schien ihn nicht allzu sehr zu beunruhigen. Ich strapazierte mein Glück noch ein wenig mehr. »Falls es über den Halter eine Akte gibt, wäre es eine gute Idee, mal einen Blick hineinzuwerfen.«
    »Hast du sie eigentlich noch alle, Dury?« Sein Gesicht begann sich zu verfärben. Sein Mund verwandelte sich in einen schmalen Strich. »Ohne guten Grund kann ich doch nicht jede deiner Ahnungen durch unseren Computer jagen.«
    Ich trat vor, stellte mich direkt vor ihn. »Also schön, hier ist einer. Und der reizende Garten Ihrer Frau ist ein weiterer.«
    Er wurde weiß. »Eines schönen Tages werde ich dich einfach erledigen, Jungchen. Ich schwör’s dir, ich schwör’s …«
    Ich schob die Hände in die Taschen, sprach ganz leise. »Fitz, bremsen Sie sich. Sie sind im gefährlichen Alter für einen Herzinfarkt – lösen Sie nicht selbst einen aus.«
    Er drohte mir mit der Faust. Seine Knöchel waren ganz weiß. »Dury, ich sag dir, was ich tun werde, ich werd’ dir einen guten Rat geben, gratis, hörst du: Sieh dich gottverdammt vor!«
    Ich lächelte. »Das mache ich sowieso.«
    »Ich meine, eher so bei dir zu Hause … Deine Ex steht jetzt auf der anderen Seite. Vergiss das nicht.«

I ch wachte in vollkommener Dunkelheit auf. Dunkler als dunkel. Fühlte mich wie Gregor Samsa in Kafkas Verwandlung. Sie erinnern sich? Eines schönen Morgens öffnet Gregor die Augen und stellt fest, dass er sich in ein Insekt verwandelt hat. Seine Familie draußen hämmert gegen seine Tür, sagt, er solle aufstehen, das Haus verlassen und zur Arbeit gehen. Gregor ist allerdings viel zu sehr damit beschäftigt, sich mit seinen zahlreichen Beinen und dem neuen, harten, gepanzerten Körper abzumühen. Wenn ich mich an diese Geschichte erinnere, dann kommt mir am härtesten vor, dass Gregors Zimmer, seine Umgebung, die Welt, die er kennt, unverändert bleiben. Nur er allein ist verändert, ist bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Der Welt ist es gleichgültig.
    Wie ich dalag und in die Dunkelheit starrte, wusste ich, dass ich mich in einer Welt voller Scheiße befand. Und es war ganz allein meine. Eine persönliche Hölle, die ich mir für mich ausgedacht hatte. Ich war in meinem ganz eigenen Insektenkörper gefangen. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich spürte es unter mir schwanken, um mich herum, war aber gelähmt.
    War es Angst?
    War es Panik?
    Nach innen gewendeter Zorn?
    Schlimmer – es war all das. Ich fühlte mich gefangen.
    Als Teenager hatte ich endlos Kafka gelesen. Noch in meinen Zwanzigern und Dreißigern hatte ich mir immer die neuesten Biographien besorgt. Er war ein Mann, der etwas von Leiden verstand. Nicht so wie mein Leiden, nicht selbstverschuldetes. Aber Leiden ist Leiden, und ich verstand Kafka bereits in

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