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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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können. Ich schnappte sie mir und kletterte auf die Mauer. Der Müllcontainer war praktisch leer und hatte Rollen. Ich manövrierte mich zwischen Mauer und oberen Rand der Tonne und fing an, das Ding wegzudrücken. Während ich noch damit beschäftigt war, tauchte oben im Fenster ein Bulle auf.
    Ich sah ihm direkt in die Augen, als sein Kumpel neben ihm erschien. »Und einen schönen Tag noch, Jungs«, sagte ich.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind, Dury!«
    Ich drückte erneut gegen den Container. Er schwankte.
    Einer der Bullen kletterte aus dem Fenster. »Ich warne Sie, bleiben Sie, wo Sie sind.«
    Meine Handflächen bluteten inzwischen stark; winzige Glassplitter drückten sich tief in die Haut, als ich mich zwischen Mauer und Container verkeilte. Ich verpasste dem Ding einen letzten Stoß, und die Rollen kreischten lauter als die über uns kreisenden Möwen. Der Container kippte genau in dem Moment um, als der Bulle seinen Arsch aus dem Fenster steckte. Seine Füße traten gegen die Wand, und seine Schuhspitzen schrammten über das Mauerwerk, als er nach dem Müllcontainer tastete.
    Sein Partner beugte sich heraus, packte die Jacke seines Kumpels und brüllte: »Dury, bleiben Sie gottverdammt noch mal da stehen!«
    »Sicher nicht!« Ich lachte mich weg über den Bullen, der die Wand hochkrabbelte. Die Möwen stürzten sich auf ein Sortiment gefüllter Tomatenhälften und kalter Fritten.
    »Dury, du Arschloch, ich krieg dich!«
    »Herrgott, Sie sind mir ein Kämpfer, das muss ich Ihnen lassen.« Er strampelte sich fürchterlich ab; bei einer Landung auf dem Kopfsteinpflaster war ein Beinbruch garantiert.
    Nachdem der Bulle durchs Fenster zurück ins Haus gezogen worden war, hörte ich die zwei zur Tür rennen. Ich wusste, ich hatte ein paar Minuten Vorsprung. Sofern mein Herz durchhielt. Ich balancierte über das schmale Band der Mauerkrone und sprang in die Gasse hinunter.

W ie oft hatte ich die Busse Edinburghs schon verflucht, weil sie die Straßen verstopften und Abgase ausstießen, aber mein Gott, für diesen einen war ich ausgesprochen dankbar. Als ich die Tür erreichte, schloss sie sich gerade. »Ich sollte Sie auf der Straße lassen!«, sagte der Fahrer.
    »Tun Sie mir einen Gefallen – wie’s aussieht, bin ich da sowieso schon fast.«
    Er nahm mir das Fahrgeld ab und würgte die Gänge rein. Dabei grunzte und ächzte er, als wäre ich mit dem einzigen Interesse in seinen Bus gestiegen, ihn stinksauer zu machen.
    Ich setzte mich ganz vorne hin und kassierte sofort schräge Blicke von all den Leuten, die die für ältere und behinderte Mitbürger reservierten Plätze frei gelassen hatten. Es juckte mich zu sagen: Hören Sie, ich geh sofort woandershin, falls jemand den Platz haben will – behielt es dann aber doch für mich. Ich keuchte immer noch von dem Spurt und musste mit meiner Energie haushalten für den nächsten Stopp auf meiner Reise nach ganz unten.
    Ich wollte hören, was Mark Crawford zu sagen hatte, wenn ich ihm um die Ohren schlug, dass ich wusste, dass der Hund, den er in der Nacht, als Moosey starb, auf dem Hill für Schießübungen benutzt hatte, auf seinen Namen registriert war. Die kleine Enthüllung des Tierarztes brachte eine völlig neue Perspektive ins Spiel; nun, zumindest für mich. Sein juristisch bewanderter Vater würde, da war ich mir sicher, bestimmt irgendwas finden, sich da herauszuwinden. Alles bei diesem Burschen hatte sich von unheimlich zu noch seltsamer entwickelt; ich kapierte einfach nicht, wie der Junge aus der Ann Street so weit vom rechten Weg abgekommen sein konnte. Sicher, da er seine Schwester verloren hatte, besaß er auch ein Motiv, aber irgendwie war das alles nicht wirklich plausibel.
    Ich stieg aus dem Bus und schlenderte langsam durch das bessere Ende der Stadt. Ich steckte mir eine Bensons an und vergewisserte mich, dass ich keine Bullen an den Hacken hatte. Offenbar hatte ich sie abgeschüttelt – zumindest konnte ich keinen eindeutigen Kandidaten für diese Rolle auf der Straße hinter mir entdecken.
    Die Vorgärten in der Ann Street kann man nur mit dem Wort elegant beschreiben. Wann immer ich in der Stadt diesen Glanz sehe, muss ich an Stevenson denken, den Schöpfer von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Irgendwo hier in der Gegend war er aufgewachsen und hatte es geschafft, eine Geschichte zu ersinnen, die den Zwiespalt Edinburghs sehr schön auf den Punkt brachte: außen hui, innen pfui.
    Ich spürte ein beginnendes Zucken zwischen den Schulterblättern, als

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