Gelyncht - Gus Dury ; 2
Ich bedankte mich erneut bei dem Sanitäter und ging an Bord.
Das Boot schien leer zu sein, bis Usual unter der Koje herausgeschossen kam. Ich hatte mich schon daran gewöhnt, dass er jedes Mal an mir auf und ab sprang, wenn ich durch die Tür kam, aber er rastete ja förmlich aus vor Begeisterung. Ich hätte nichts gegen mehr Schmerzlinderung gehabt, musste mich aber mit einer Flasche Seagram’s 100 Pipers begnügen.
Ich lag in der Koje und glitt immer wieder in den Schlaf und wieder heraus. Die üblichen Träume kamen – oder eher doch Alpträume. Mooseys Leiche tauchte auf, dann Debs an unserem Hochzeitstag.
Ich stand auf. Mein Schädel brummte übler als bei jedem Kater, aber ich begann darüber nachzudenken, was Jonny vor dem Knast über Debs gesagt hatte, und die Kopfschmerzen wurden noch schlimmer.
T räumte ich? Ich glaubte nicht, nein. Das alles war passiert, definitiv. Würde ich schlafen, wäre es ein Alptraum …
Debs nimmt die Bilder von den kleinen gelben Nilpferden herunter. Sie packt das Schmusetier weg, den Elmo aus der Sesamstraße und den fünfzig Zentimeter langen Doggie Daddy.
Ich mag gar nicht zusehen.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Sie wirkt so gefasst. Sie hat so eine Bin-bei-der-Arbeit -Ausstrahlung. Ich spüre, dass es falsch ist. Eigentlich müsste da irgendeine Gefühlsregung sein. Aber was weiß ich schon? Ich bin ein Mann. Das hier ist Frauensache.
Auf dem Boden stehen zwei Kartons, einer rosa, einer blau. »Wir nehmen einfach von beiden einen«, hat sie mir erst vor einer Woche bei einem unserer zahlreichen Ausflüge ins Möbelhaus erklärt. »Man weiß ja nie!«
Jetzt packt sie dieses ganze Zeug dort hinein. Sie nimmt die blauen Kleidchen runter, die selbstgestrickten Wolljäckchen, von denen wir so viele zu besitzen schienen. Über die Neuigkeit hatten sich alle so gefreut.
»Debs ist schwanger«, sagte Hod. Er umarmte mich ungestüm. »Gott, das ist toll.«
»Ja, ja. Ich weiß … Wir sind hin und weg.«
Natürlich waren wir überglücklich. Wir hatten zehn Jahre gebraucht, um diesen Punkt zu erreichen. Zehn Jahre, um über die Sache wegzukommen, über die wir lieber nie nachdachten. Uns war nur nie klar, dass die beiden Ereignisse – das eine so traurig, das andere so glücklich – miteinander verknüpft sein könnten. Wie konnte das auch sein?
Ich sehe zu, wie Debs weitere winzige Kleidungsstücke zusammenlegt. Die kleinen Schühchen sehen aus wie Weihnachtsbaumschmuck. Ein Karton ist voll. Sie legt die kleinen leeren Bilderrahmen oben drauf, dreht sich zu mir um. »Würdest du das bitte runter in die Garage bringen?«
Ich nicke, nehme den Karton hoch.
Ich will jetzt etwas sagen. Ich höre, wie ich von einer inneren Stimme gedrängt werde. Sag etwas zu ihr, sag etwas zu ihr. Dieses Verhalten ist nicht normal. Sie steht unter Schock.
Aber ich sage nichts.
Ich bringe den Karton weg. In der Tür drehe ich mich um. Sie hat den zweiten Karton schon fast voll; eine kleine gelbe Badewanne, nicht größer als das Spülbecken in unserer Küche, wird ebenfalls gefüllt.
Ich gehe.
In der Garage kann ich kaum ertragen anzusehen, was ich heruntergetragen habe. Ich schiebe den Karton zu einem Stapel alter Autoreifen. Er sieht völlig fehl am Platz aus neben dem Rasenmäher und den Elektrowerkzeugen. Ich werde alles in den Secondhandladen bringen, sage ich mir. Ich will sofort los, den nächsten Karton holen, das Auto beladen. Aber ich tu’s nicht. Ich bleibe in der Garage. Ich bleibe in der Garage und rauche eine Zigarette nach der anderen. Zünde jede neue an der letzten an. Erst als das Päckchen leer ist, kehre ich ins Haus zurück.
Im Haus ist es völlig still. Unheimlich.
Der Fernseher läuft leise. Die vertraute Erkennungsmelodie von Kitsch oder Kunst? läuft. Ich betrete den Raum, hoffe, Debs dort zu finden. Aber sie ist nicht da.
Ich gehe in die Küche. Leer. Das Schlafzimmer ebenfalls.
Ich weiß, damit bleibt nur noch eine Möglichkeit, das Gästezimmer, aber dort hinein will ich nicht mehr. Sie wird alles zusammengepackt haben. Alles von den Wänden und aus den Schränken genommen haben. Es wird jetzt ein anderer Raum sein. Es ist nicht so, dass ich in Erinnerung behalten will, wie es war, wie wir es eingerichtet haben. Nein, das will ich vergessen. Ich will alles vergessen. So tun, als hätte es dieses Zimmer überhaupt nie gegeben.
Aber ich kann nicht.
Ich höre Debs weinen, und ich weiß, dass ich zu ihr gehen muss.
Ich versuche, die Tür
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