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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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langsam aufzudrücken, aber irgendetwas stimmt nicht. Die Tür ist blockiert.
    »Debs, was ist los, Liebling?« Ich drücke wieder gegen die Tür, aber sie ist immer noch blockiert. »Debs, Kleines, ich kann nicht rein …« Ich drücke fester. In Panik frage ich mich, was sie sich angetan hat.
    Die Tür gibt nach, und ich sehe sie auf dem Boden liegen.
    Ich stürze zu ihr. Sie hat die Kartons alle wieder ausgekippt. Hat das ganze Zeug, das sie so sorgfältig zusammengepackt hat, wieder ausgekippt.
    »Debs, was ist los? Was hast du?« Eine ausgesprochen blöde Frage, das weiß ich. Aber was soll ich sonst sagen? Für so etwas gibt es keine Bedienungsanleitung.
    Ich knie mich neben sie und lege eine Hand auf ihren Rücken. Sie zittert. Ich erinnere mich noch genau, wie sie am Tag unserer Hochzeit gezittert hat, und das jagt mir eine Eisscherbe ins Herz.
    »Debs, bitte … tu das nicht.«
    Sie ist für mich nicht erreichbar. Ich frage mich: Weiß sie überhaupt, dass ich hier bin?
    Ich versuche, sanft ihren Rücken zu streicheln, sie zu beruhigen. Sie zittert immer noch, und dann dreht sie sich um und rollt sich wie ein kleines Kind zusammen. Sie sieht so schrecklich hilflos aus, so zerbrechlich. Ich spüre jedes einzelne Zittern, das ihren Körper durchfährt.
    »Bitte, tu dir das nicht an, Debs.« Ich streichle ihren Kopf. Ihre Haare glänzen und sind ganz weich und glatt. Es kommt mir unwirklich vor, so wie die ganze Welt jetzt unwirklich geworden ist.
    Sie zittert immer noch, weint hysterisch. Ihr Gesicht verwandelt sich in eine gerötete Masse, ihre Wangen sehen aus, als könnten sie jeden Moment explodieren. Ich versuche, ihre Krämpfe zu beenden, aber es gelingt mir nicht.
    Ich weiß, dass es niemand kann.
    Ich tue alles, was ich tun kann. Ich lege mich neben sie auf den Boden und halte sie. Halte sie einfach. Ich halte sie ganz fest. Während sie den Kopf an meine Brust drückt und immer weiter weint, wiederholt sie das eine Wort wieder und wieder: »Warum?«
    Ich weiß, darauf gibt es keine Antwort.
    »Warum?«
    Ich wünschte, ich wüsste es.
    »Warum?«
    Ja, Gott … warum?

I ch zog meinen langen Mantel an. Einen Crombie, marineblau. Ein Überbleibsel aus meiner Arbeitszeit. Hatte mich ein paar Scheine gekostet. Ich warf einen Blick in den Spiegel. Den Verband hatte ich abgenommen, hatte meine Haare flach über das Schmetterlingspflaster gegelt. Hatte diesen hageren Ausdruck im Gesicht, eine kleine Delle in der Nase, die mir zusätzlich Härte verlieh. Wohin ich jetzt ging, brauchte ich alles, was ich aufbieten konnte.
    »Rutger Hauer, du kannst schon mal vor Neid erblassen«, sagte ich.
    Der Hitcher kriegte da kein Bein auf den Boden.
    Debs war einverstanden, sich mit mir zu treffen. Ich nahm Usual zur Unterstützung mit. »Wie wär’s mit einem kleinen Spaziergang, Kumpel?«
    Bellen. Laut, eines nach dem anderen.
    Ich beugte mich vor, spürte das Zwicken in meinen Rippen. Da dürften jetzt überall hübsche Prellungen sein, dachte ich. »Okay, Kumpel, dann hoffen wir mal, dass es heute besser läuft als beim letzten Mal.«
    Usual rieb seine Schnauze an meinem Bein. Sein Schwanz wedelte, als wäre er reisefertig. Ich verstand.
    Er setzte sich.
    »Okay, geben wir Gummi.«
    Als ich zusah, wie er zur Tür sprang, fragte ich mich, was er wohl durchgemacht hatte. Ich spürte, wie ein Teil von mir sich diesem kleinen Hund mit jedem Tag verbundener fühlte; wir waren beide Verlierer.
    Wir nahmen den Bus in die South Side.
    Machten uns auf den Weg durch den Park, die Meadows. Ließ Usual über die Rasenfläche toben. Er schien eine Route für uns ausgearbeitet zu haben. Er inspizierte ein paar Bäume, markierte sie, trat mit den Hinterläufen aus.
    Wir verließen den Park, schlängelten uns durch die Straßen, wobei Usual vorauseilte und an der Leine zerrte.
    Ein Typ, der zur Bushaltestelle lief, rief mir zu: »Quirliger Bursche.«
    Ich nickte. »Allerdings!«
    Wir erreichten Papa John’s Pizza, als ich spürte, wie sich mein Puls beschleunigte. Diesen Gang würde ich überall wiedererkennen. War nicht direkt wie in der Werbung für Impulse-Deo, aber diese Liga. Dann zersplitterte das Bild, als Debs mich ebenfalls entdeckte. Wir waren beide früh dran.
    »Du bist es«, sagte sie.
    »Hallo, Debs.«
    Sie senkte den Kopf zur Straße. »Was ist das?«
    Ich beugte mich vor, tätschelte Usual. »Äh, mein neuer bester Freund.«
    Debs lachte leise. »Ist weit gekommen, was?«
    Ich war dankbar für diesen Einstieg.

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