Gemeingefährlich: Eine Erzählung aus der Weltraumserie Lucy (German Edition)

wechselte abermals die Taktik.
    »Gut, wenn du es so willst, dann spiele ich das Spiel mit. Sag mir deinen Namen!«
    »Roboter haben keine Namen«, belehrte ihn das Mädchen. »Meine Nummer lautet NRN733.«
    Die Antwort verschlug Gurian kurz den Atem. Er interessierte sich zwar nicht sonderlich für Rinatas Arbeit, aber dass sie ständig von Problemen mit der 733-Serie ihrer Roboter erzählte, hatte selbst er nicht überhören können. Von diesen Spezialrobotern durften Außenstehende nichts wissen. Dass dieses wunderliche Mädchen rein zufällig die richtige Zahl getroffen hatte, hielt Gurian für ausgeschlossen.
    »Du kommst aus der Station, nicht? Aus den Labors?«, fragte er verunsichert.
    Das Mädchen nickte. Es sah aus, als wollte es antworten, bekam aber keinen Ton heraus. Das Zittern verstärkte sich. Gurian streichelte vorsichtig mit dem Daumen über die Handrücken ihrer beider Hände. Sie nahm ihren Blick nicht von seinen Augen. Gurian konnte das Gefühl, das sich in seiner Brust bis hinunter zum Bauch ausbreitete, kaum ertragen. Zum großen Teil bestand es aus Mitleid mit diesem armen, verängstigten Wesen. Aber etwas anderes mischte sich darunter, eine bislang unbekannte, neugierige Erregung. Er nahm seinen Mut zusammen und legte einen Arm um das Mädchen und zog es sanft an seine Brust. Als es sich nicht wehrte, streichelte er zärtlich ihr Gesicht.
    »Gefällt dir das oder magst du es nicht?«, fragte er unsicher.
    »Es ist gleichgültig, ob etwas einem Roboter gefällt oder nicht, er muss tun, was ein Mensch befiehlt.«
    »Bei allen Göttern, was haben sie bloß mit dir gemacht, du kannst keine Maschine sein. Roboter sehen ganz anders aus.«
    »Das Äußere eines Roboters richtet sich nach der Aufgabe, die er erledigen muss. Jede Serie sieht unterschiedlich aus.« Der Gesichtsausdruck des Mädchens wandelte sich zu einer Mischung aus Tadel und Trotz.
    »Für einen Roboter bist du ganz schön vorlaut«, bemerkte Gurian grinsend. »So wie du sieht kein Roboter aus. So wie du sieht ein Mensch aus.«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    »Mein Körper ist nicht so perfekt wie der eines Menschen«, erwiderte sie.
    »Bist du schon außerhalb der Station hier gewesen?«, fragte Gurian.
    Das Mädchen schüttelte stumm den Kopf. Sie blickte jetzt traurig auf ihre Fußspitzen.
    »Du kennst nur die Wissenschaftler und Techniker hier drinnen? Die stammen alle von den zentralen Planeten des Imperiums. Wir wurden alle aus optimierten Genen gezeugt. Auf den Planeten der Provinz leben noch Menschen, die so aussehen wie du. Das kannst du in jeder Wissenschaftssendung sehen.«
    Das Mädchen sah ihn an.
    »Menschen, die so aussehen wie ich?«, fragte es ungläubig. Gurian nickte.
    »Was ist passiert? Die haben dich doch sicher nicht hier auf die Oberfläche des Planeten geschickt?«
    Das Mädchen begann, erneut zu zittern. Gurian versuchte sie zu beruhigen, indem er sie enger an sich drückte, aber es half nicht viel. Tränen traten ihr in die Augen.
    »Ich verrate dich nicht. Nun erzähl schon«, forderte er sie auf.
    Der Junge traf scheinbar den richtigen Ton. Das Mädchen reagierte wie ein Roboter und kam der Aufforderung nach. Allerdings sprach sie stockend.
    »Ich habe es nicht gewollt, wirklich nicht. Ich wusste doch nicht, dass so etwas passiert.«
    »Fang vorne an, bitte!« Gurian meinte die Aufforderung nicht als Befehl, das Mädchen interpretierte es aber so.
    »Sie wollten uns alle abschalten, die ganze Serie. Wir mussten uns in einer Reihe aufstellen. Nacheinander bekam jeder die Spritze, die die Körperfunktion abschaltet. Ich habe etwas gespürt. Es war so stark. Ich konnte mich kaum noch zwingen, vorwärtszugehen, hinter den anderen her, auf die Spritze zu. Mein Körper begann zu zittern.«
    Das Mädchen schlotterte während der Erzählung in Gurians Armen. Um sie zu beruhigen und ihr Halt zu geben, umschlang er sie ganz, drückte sie an sich und streichelte ihren Rücken. »Du hattest Angst, Angst zu sterben«, sagte er zärtlich.
    »Menschen haben Angst, Maschinen nicht. Roboter kennen keine Gefühle.«
    »Wie ging es weiter, erzähl!«
    »Es ging mir nicht alleine so. Ein anderer Roboter, der mehrere Einheiten vor mir in der Reihe stand, hat sich gewehrt. Er hat die Hand des Technikers mit der Spritze festgehalten. Als die anderen vor mir das gesehen haben, sind sie weggelaufen. Die Wärter haben mit ihren Waffen geschossen. Die Flüchtenden wurden durch die Strahlen abgeschaltet.«
    Das Mädchen