Gemeinsam gegen Krebs: Naturheilkunde und Onkologie - Zwei Ärzte für eine menschliche Medizin (German Edition)
in Abständen leichte Elektroschocks, die dritte erhielt ebenfalls die Elektroschocks, lernte aber, den Stromimpuls durch Drücken einer Taste immer wieder abzustellen. Die Überlebensrate in dieser letzten Gruppe war am höchsten.
Das zeigt, dass weniger der Stress (Stromstoß) krank macht, sondern vor allem das Gefühl des Ausgeliefertseins. Natürlich lassen sich Rattenexperimente nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen. Doch zumindest bei diesen Tieren wird deutlich, wie wichtig es ist, Impulse aufzunehmen und darauf adäquat zu reagieren. Wer das kann – und man kann das mithilfe der Mind-Body-Medizin lernen -, hat vermutlich eine größere Chance auf Heilung als jemand, der alle Reize zu vermeiden versucht – eine Taktik, die ohnehin im Alltag nicht funktioniert.
Ich, Es und die anderen: Spiritualität und Gemeinsamkeit
So, wie Meditation auch in einem nichtreligiösen Kontext praktiziert werden kann, so gibt es eine Spiritualität auch ohne Glauben. Jeder Mensch ist spirituell, ob er einer Religionsgemeinschaft angehört oder nicht. Darunter verstehen wir die lebendige Beziehung eines Menschen zu dem, was sein Leben trägt, was ihn stärkt. Für einen Teil von uns kann das der Glaube an Gott sein, für andere ist es vielleicht eine tiefe Beziehung zur Natur oder zu den Kindern.
Lebenskrisen wie zum Beispiel eine Krebserkrankung führen dazu, dass wir uns die Frage nach dem Sinn unseres Lebens stellen, auch Bilanz ziehen über das, was wir erreicht, und das, was wir nur erträumt haben. Der Psychoanalytiker Viktor Frankl stellte die Sinnfindung in den Mittelpunkt jedes Genesungsprozesses. Die Fähigkeit, auch Leid und Schmerz Sinn zuzuschreiben, das eigene Schicksal zumindest zum Teil verstehen zu können, ist auch der Kern der Salutogenese von Aaron Antonovsky, welche eine Basis der Mind-Body-Medizin darstellt.
Dieser Prozess ist häufig schmerzhaft. »Warum ich?« oder »Was habe ich falsch gemacht?« – Zorn, Wut, Verzweiflung und sehr häufig auch Schuldgefühle überfallen die meisten Kranken an irgendeinem Punkt ihrer Krebsgeschichte. Es ist wichtig, sie damit nicht allein, nicht in Hoffnungslosigkeit versinken zu lassen. Denn das verschlechtert nicht nur ihre Symptome und ihre Prognose, sondern trübt die gesamte Lebensqualität. Es droht, alle Chancen, die immer auch in einer Krise liegen, zunichtezumachen.
MBSR und Achtsamkeitsmeditationen sind eine Möglichkeit, mit Sinnkrisen umzugehen. Doch neben dieser Reise in die Innerlichkeit hilft bei spirituellen Fragen häufig gerade der umgekehrte Weg nach außen, in den Kontakt mit anderen Menschen. Um spirituelle Themen besprechen zu können, muss man nicht Seelsorger oder Therapeut sein – häufig sind es Ärzte oder Pflegende, manchmal auch speziell geschulte Sozialarbeiter, an die existenzielle Fragen gerichtet und hoffentlich auch aufgegriffen werden.
Spiritualität und Befinden
Dass Spiritualität erheblichen Einfluss auf das Befinden hat, ist nicht nur frommer Glaube, sondern empirisch nachgewiesen. »Spiritual care«, die sinnstiftende Begleitung eines Krankheitsprozesses, ist in den USA an vielen Medizinfakultäten Bestandteil der Ausbildung -ein Prozess, der von der Onkologie ausging. In Deutschland gibt es hierfür seit 2010 eine erste überkonfessionell theologische Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität. Wissenschaftliche Instrumente wie Fragebögen und Gesprächsleitfäden sollen die Dimensionen der Sinnsuche erforschen helfen.
SPIEL UND SPASS
Psyche, Nervensystem und Krebs sind auf höchst vielfältige Weise miteinander verknüpft. Darauf weist auch eine beeindruckende Studie aus dem Jahr 2010 der Neurowissenschaftler Lei Cao und Matthew During hin. 18 Die beiden Wissenschaftler von der Ohio State University in Columbus machten ein klassisches Mäuseexperiment: Eine Gruppe von ihnen muss in kargen Standardkäfigen hausen, während die andere Nester zum Ausruhen findet, sich durch enge Tunnelröhren zwängen oder nach Lust und Laune in Laufrädern rennen kann. Auch leben die verwöhnten Tiere in größeren Gruppen.
Bei Gedächtnistests müssen die Mäuse beispielsweise lernen, frei schwimmend eine rettende Plattform im Wasser wiederzufinden. Oder sich in einem vertrauten Labyrinth zu orientieren, um den Weg zu bestimmten Leckerbissen aufzuspüren. Die ersten Resultate: Nagetiere, die in einer anspruchsvolleren Umgebung , in einem »enriched environment« leben, lösen solche Aufgaben besser als Artgenossen,
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