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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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dass er wie Gold und welliges Wasser aussah.
    Eliot konzentrierte sich auf diesen Faden – nur auf den Faden -, und der Rest der Wohnung versank in den Schatten.
    Von irgendwoher aus der Ferne hörte er Dallas flüstern: »Seht jetzt an ihm entlang. Von hier nach da. Von jetzt nach später.«
    Eliots Blick wanderte den Faden entlang. Der einzelne Faden wurde Teil eines Gewebes, eines Netzes, das vor Silber und rostigem, blutfarbenem Eisen glänzte. Er stellte sich vor, mit dem Finger darüberzustreichen, und spürte Eis und
Schmirgelpapier, schmeckte Seesalz und Kiwis und die rauchige Schärfe von Whiskey.
    Er versuchte zu sehen, wohin dieser Faden am Ende führte. Jetzt war er weitaus länger als das armlange Stück, das Dallas aus ihrem Rock hervorgezogen hatte, und erstreckte sich, so weit Eliot sehen konnte: durch die Wände ihrer Wohnung, über den Horizont hinaus, an der Sonne vorbei bis zu den Sternen.
    Eliot blinzelte und fand sich auf dem Wohnungsboden wieder; er saß leicht schwindelig da.
    Fiona blinzelte ebenfalls und sah fasziniert aus. »Manchmal seht ihr Dinge«, erklärte Dallas. »Dann wieder nehmt ihr etwas wahr: ein Geräusch, einen flüchtigen Blick, einen Geschmack.« Sie zuckte die Schultern. »Manche in der Familie haben ein richtiges Talent dafür. Andere, wie ich, pfuschen nur so herum.«
    »Es ist cool«, hauchte Eliot.
    »Findest du? Das freut mich.« Dallas’ katzengleiche Augen weiteten sich. »Denn jetzt bist du an der Reihe.«
    »Du gehst zu weit«, sagte Großmutter.
    Cee rang die Hände. »Oh«, flüsterte sie. »Ich werde ihre Kleidung flicken müssen.«
    Dallas gab einen angeekelten Laut von sich. »Diese Kleider müssen verbrannt werden, aber dazu kommen wir später. Wie wär’s mit einem Einkaufsbummel in Paris?« Sie tätschelte Fiona das Knie.
    »Wenn du es schon tust«, sagte Großmutter, »ist es besser, du wirst damit fertig, bevor die Sonne untergeht.«
    »Sehr richtig.« Dallas wurde wieder ernst. Sie streckte Eliots Arm aus und fand einen losen Faden an seiner Hemdmanschette. Sie riss ein langes Stück heraus, das sie ihm reichte.
    Dann nahm sie einen ähnlich losen Faden von Fionas Khakihosen.
    »Haltet sie straff gespannt«, wies Dallas sie an. »Und versenkt euch wie vorher tief hinein. Wartet darauf, dass die Eindrücke zu euch kommen.«
    Eliot hielt seinen Faden und ließ den Blick daran entlangwandern.

    Als die Sonne unterging, schimmerte sein Faden silbern und verflocht sich mit den tiefer werdenden Schatten. Andere Farben erschienen: Bronze und Gusseisenschwarz flochten sich zu Zöpfen, zerfaserten und verzweigten sich.
    Eliot spürte, dass sie vibrierten, und wollte sie berühren, sie wie seine Geige spielen; aber er hielt sich an Dallas’ Anweisungen und sah nur hin.
    Er hörte ein Lied aus den Saiten. Nicht wie seine Geige. Es war eine Begräbnisklage von Kirchenglocken.
    Und obwohl er sein Instrument nicht berührte, spürte er, wie Glas zerbrach. Und da war Feuer.
    Er schmeckte Blut und roch Schwefel.
    Etwas Schreckliches würde geschehen … bald.
    Er wagte es, so weit zu blicken, wie er konnte. Die Fäden verwoben sich hin und her zu einem verwirrenden Durcheinander, das immer undurchschaubarer wurde, je weiter er sah.
    Eliot war nicht sicher, was es bedeutete, aber er wusste, dass es ihm Angst machte.
    Er blinzelte und war wieder in der Wohnung. Der Faden, den er zwischen den Fingern hielt, war wieder nur ein Faden.
    Gerade wollte er erklären, was er gesehen hatte, Dallas und Fiona erzählen, wie seltsam es gewesen war, aber die Worte erstarben ihm in der Kehle.
    Fiona saß neben ihm. Ihr Faden war nicht mehr armlang wie der, den Dallas ihr ursprünglich gereicht hatte. Er war ein Fetzen, der gerade noch über ihre Fingerspitzen hinausreichte.
    »Er ist so kalt«, flüsterte Fiona.
    Dallas musterte den Faden genau. Alle Zuversicht schwand aus ihrem Gesicht, und sie sagte: »Das ist so, weil du sterben wirst.«

42
    Noch einen Tag zu leben
    In dem Augenblick, als sie den Faden berührte, wusste Fiona, dass etwas nicht stimmte.
    Zuerst war sie besorgt gewesen, dass sie sich auf die Art und Weise darauf konzentrieren würde, wie Onkel Aaron es ihr gezeigt hatte, und versehentlich damit schneiden würde. Aber es war ganz anders gewesen. Die Art, auf die sie sich hier konzentrieren sollte, war eigentlich gar keine Konzentration; es war eher so, als würde man das Gesicht in dem Versuch an ein trübes Fenster pressen, besser nach draußen sehen zu

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