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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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Es gab keine Ratten, die ihn führen konnten, aber vielleicht fand die Musik einen anderen Weg.
    Er kniete sich hin und zog die Geige aus seinem Rucksack, setzte Frau Morgenröte auf die Schulter und zupfte die Saiten an.
    Eliot spielte. Er begann da, wo er es immer tat, mit dem einfachen Kinderlied, das Louis ihm beigebracht hatte. Seine Finger hüpften über die Saiten; die Bogenbewegung war ein natürlicher Teil von ihm, wie sein Herzschlag, glatt und regelmäßig.

    Die Welt verblasste, und in der Ferne hörte er den nun vertrauten Kinderchor
    Kind, gebor’n in Blut und Gram,
Lieb, gehasst, reich oder lahm,
Gluckst, schreit oder lächelt eben,
Nicht bereit fürs harte Leben.
    Eliot schloss die Augen und dachte an das Foto von Amanda Lane, das er auf Roberts Computer gesehen hatte. Nur ein Kind. Ihr fehlten beide Schneidezähne – und sie sah so aus, als wäre sie verdammt stolz darauf.
    Ihm kamen unwillkürlich mehr Gedanken: Papas kleines Mädchen … Groß und stark werden … Ein Seidenband in ihrem dunklen Haar …
    Seine Musik wurde zu einer einfacheren Melodie, die vor sich hinplätscherte wie ein Hüpfen, fröhlich. Und dann spürte Eliot etwas anderes.
    Grobe Hände hatten sie gepackt, ihr Klebeband um die Handgelenke und Knöchel geschlungen, und dann kamen heiße Tränen.
    Eliots Finger zupften in einem misstönenden Pizzicato-Spiel; die Töne sprangen in die Höhe wie Feuerfunken.
    Er spielte lauter und ließ sein Lied über das Gelände ausstrahlen.
    Dann öffnete er die Augen.
    Die verstreuten Feuer tanzten im Takt seines Liedes. Elektrische Lichter pulsierten: Jede Bude, jeder Stand und jedes Fahrgeschäft erwachte zum Leben. Die neonfarbenen Speichen eines Riesenrads flackerten auf und begannen sich zu drehen. Eine Achterbahn grollte, während ein Wagen zur Spitze ihrer Schienen ratterte und dann mit einem gewaltigen Krachen zu Boden sauste. Der Reißverschluss , die Lawine , der Goldrausch – alle bewegten sich nun mit quietschendem und knarrendem Metall, Funken und wildem Schwanken. Ein Tentakel eines gewaltigen Kraken wirbelte herum, löste sich und durchschlug krachend das brennende Spiegellabyrinth.

    Panik durchzuckte Eliot. Fiona musste das Gebäude einfach verlassen haben. Sie konnte unmöglich darin geblieben sein.
    Doch hatte seine Musik etwas bewirkt – abgesehen davon, dass sie den ganzen Platz zum Leben erweckt hatte? Er ließ die Hand auf den nachschwingenden Saiten seiner Geige ruhen.
    Es war nicht wie bei Souhk, er spürte nichts. Er hatte nicht erwartet, dass Ratten auftauchen und ihm den Weg zu dem Mädchen zeigen würden, aber etwas … irgendetwas.
    Da hörte Eliot plötzlich ein Echo seines Lieds, in höherer Tonlage und weit entfernt.
    Es war nahe beim Eingang: auf dem Karussell, an dem sie auf dem Hinweg vorbeigekommen waren. Das Karussell war erleuchtet und drehte sich. Aus der Mitte ließ die Jahrmarktsorgel Eliots Lied ertönen. Sie veränderte die Melodie, improvisierte und schien zu singen: Hier! Hier bin ich! Komm, spiel mit mir!
    Es war Amandas Lied, da war er sich sicher. Sie musste dort sein.
    Eliot packte Frau Morgenröte ein und kletterte den Container hinunter, dann rannte er zurück durch die Reihen brennender Spielbuden. Instinktiv hob er die Hand vors Gesicht, um es vor der Hitze zu beschirmen.
    Über das Knistern und Prasseln des Feuers hinweg hörte er, wie Metall knirschte und zerbrach. Das Krachen und das Lodern der Flammen klang wie Musik. Seine Musik.
    Eliot hatte das hier bewirkt. Er hatte das Feuer zwar nicht entzündet – daran war Millhouse schuld -, aber seine Musik hatte es doch irgendwie dazu angestachelt, zu einem tobenden Inferno zu werden.
    Und es wirkte wütend.
    Wo war Fiona? Er wollte nach ihr rufen, aber er war sich nicht mehr sicher, wo Millhouse sich befand, und so hielt er den Mund und rannte weiter. Vor dem Karussell kam Eliot schlitternd zum Stillstand.
    Es drehte sich schneller als irgendein anderes Karussell, das er je gesehen hatte, nur, dass es sich eigentlich nicht drehte.
Zwar kreiste die Basis, aber das erklärte das rasende Tempo der Pferde nicht.
    Die Karussellpferde rannten.
    Er sah ihre Beine trampeln und galoppieren, konnte es aber nicht ganz glauben. Im Zeitlupenschritt jagten sie einander nach – rosafarbene, purpurne und cremefarbene Ponys, deren Augen schwarz funkelten und denen Schaum vor dem Maul stand. Während sie rannten und den Messingpfosten, die ihnen im Weg standen, auswichen, schnappten sie nacheinander,

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