Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
starrte ihn finster an. »Der Junge hat eure drei Prüfungen bestanden. Das sollte doch für ihn sprechen.«
»Ich erinnere euch daran, dass das erfolgreiche Bestehen unserer Prüfungen nur dazu dient, ihren jeweiligen Charakter zu beleuchten«, erklärte Lucia. »Das ist der einzige Maßstab, nach dem wir richten werden. Ein Höllischer hätte sie genauso mühelos wie ein Unsterblicher bestehen können. Es ist das Wie , das uns daran interessiert.«
»Noch ein Schlupfloch in unseren so genannten Regeln«, knurrte Aaron.
Audrey Post stand auf und trat vor ihn hin. »Du irrst dich. Ich kenne ihr Blut besser als irgendjemand sonst hier – darum ging es nie. Was sie sind, wird weder von den Genen noch von ihrer Erziehung vorherbestimmt. Eliot und Fiona werden am Ende die Wahl treffen, was sie sein werden.«
Robert beugte sich vor. Sie durften entscheiden, zu welcher Familie sie gehörten? Warum hatte ihnen das niemand vorher gesagt?
Audrey und Aaron starrten einander an.
Alle wurden still, und niemand bewegte sich mehr.
Als er sie ansah, wurde Robert übel. Es war, als würde er auf einer Brücke stehen und zusehen, wie zwei gewaltige Flüsse unter ihm aufeinanderprallten – schwindelerregend und ehrfurchtgebietend.
Er hatte keine Ahnung, wer Audrey Post war. Er wollte auch nicht zu viel darüber spekulieren. Er wusste, dass es ihm nur Albträume verschaffen würde, wenn er es tat.
Über den namens Aaron wusste er ein bisschen etwas. Er hatte unterschiedliche Namen getragen in den verschiedenen historischen Epochen: der Rote Reiter der Apokalypse, Ares Enyalios, der Wagenlenker, Lancelot und der König des Heiligen Hains.
Aaron blinzelte und sagte leise: »Liebst du sie nicht, Audrey?«
»Liebe hat keinen Platz mehr in meinem Herzen. Alles, was noch übrig ist, ist meine Pflicht, sie zu beschützen.« Audrey sah beiseite und sank auf ihren Platz zurück. »Sogar, wenn das heißt, dass ich einen von ihnen opfern muss, um den anderen zu retten.«
Robert konnte nicht fassen, was er da hörte. Opfern? Meinte sie, Fiona oder Eliot zu töten? Das klang mittelalterlich, aber einige der Leute hier waren ja auch mittelalterlich. Er würde Fiona warnen müssen.
Mr. Mimes räusperte sich. »Was die Post-Zwillinge betrifft, glaube ich, dass die höllischen Versuchungen die Situation klären werden. Eine ist noch übrig.«
Er wies auf den überlebensgroßen Videobildschirm über dem mittleren Spielfeld. Der Bildschirm ging flackernd an.
Darauf erschien das Foto, das Robert gestern im Franklin Park aufgenommen hatte – Eliot und seine Freundin, Julie Marks. Das Teleobjektiv hatte es etwas körnig gemacht, aber abgesehen davon war es eine nette Komposition. Zwei junge Leute, die einander anhimmelten, machten zum Mittagessen Picknick. Was hätte natürlicher sein können?
Nur, dass Robert ein bisschen nachgeforscht hatte. Er hatte die Fingerabdrücke des Mädchens bei Ringo’s genommen und herausgefunden, dass Julie für kleine Diebstähle und Drogenbesitz vorbestraft war – und dass ihr Totenschein auf 1981 datiert war. Eine Überdosis Heroin.
»Die höllische Verführerin«, erklärte Mr. Mimes, »wird in meinem Bericht ebenfalls erwähnt. Bis jetzt hat Eliot der Versuchung widerstanden, aber aller guten Dinge sind nun einmal traditionell drei.« Er hielt drei Finger hoch, um seine Aussage zu unterstreichen. »Ich stelle den Antrag, dass wir abwarten und zusehen, wie sie mit dieser letzten Herausforderung umgehen.«
»Es wäre wertvoll, noch mehr Daten zu sammeln«, sagte Cornelius.
»Aber es würde die Zwillinge noch größerer Gefahr aussetzen«, antwortete Lucia.
»Es würde uns in Gefahr bringen«, sagte Kino.
»Gefahr besteht immer«, sagte Gilbert zu ihnen. »Was für einen Unterschied macht das schon? Wir sollten, ausgehend von den vorliegenden Beweismitteln, über ihr Schicksal befinden.«
»Ich dachte, wir sollten sie vor der anderen Familie beschützen?«, sagte Robert.
Er saß erstarrt da, vollkommen überrascht. Er hatte es nicht gewollt, aber Tatsache war, er hatte das laut geflüstert.
Er war so in die Debatte des Rats über Eliot und Fiona versunken gewesen, dass es ihm wie ein Traum vorgekommen war. Er hatte die erste Regel jedes guten Fahrers vergessen: Halt den Mund .
Alle drehten sich um und sahen ihn an.
Er spürte, wie sein Herz aussetzte – und dann wieder heftig und panisch zu schlagen begann.
Robert war bei der letzten Sitzung schon angewiesen worden, still zu sein. Er
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