Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
Radioaktivität. Oder beidem.
Eliot ging direkt auf einen Zylinder auf einem der unteren Regale zu. »Hier.«
Fiona sah den Flur entlang. Keine Nebelgeschöpfe oder Militärpolizisten verfolgten sie. Das war gut.
Oder schlecht, je nachdem, warum niemand auf den Alarm aus diesem Gebäude reagierte.
Vielleicht waren alle tot.
Was hatten sie getan? Bei der ersten Prüfung war Fiona lieber fast gestorben, als Souhk zu verletzen. Und dann hatte sie Perry Millhouse ermordet. Und jetzt? Der von Eliot heraufbeschworene Nebel tötete vielleicht Menschen. Sie wollte einfach nur, dass alles aufhörte.
Alle Kraft wich aus Fionas Gliedmaßen. Sie hielt sich am Türrahmen fest. Ihre Lebenszeit lief ab.
Sie hinkte zum Zylinder und schnitt den Deckel ab.
Darin lag in Styropor verpackt ein großes Ei aus Metall. Sie
und Eliot rollten den Zylinder heraus, um einen besseren Blick darauf zu erhalten.
Das Ei war mattsilbern und mit dickem Lack überzogen. Bei näherem Hinsehen bemerkte Fiona, dass Linien ins Metall geätzt waren: Adern, die ein Netz über den Gegenstand webten. An manchen Stellen sahen sie aus wie Ranken mit Orchideenknospen; andere Stellen wirkten wie ein gedruckter Schaltkreis; manche wie eine sich wiederholende Kristallstruktur, die dann zu Zellhaufen wurde, die mitten in der Teilung erstarrt waren; Chromosomen waren ausgestreckt wie die verschränkten Finger zweier Hände.
Die Kunstfertigkeit dieses Stücks verschlug ihr den Atem.
»Worauf wartest du?«, fragte Eliot. »Öffne es.«
»Es wäre doch eine Schande, es zu zerstören.«
Dennoch schlang Fiona ihren Faden um die Spitze. Vielleicht konnte sie nur ein winziges Stück abschneiden. So wenig wie möglich von diesem wunderbaren Ei zerstören. 62
Sie zog an ihrer Schnur.
Der Faden glitt zum Teil in das Metall – und blieb dann hängen.
Fiona hatte massiven Stahl durchschnitten, der eine Bombendetonation an sich hätte abprallen lassen können, aber das hier war stärker. Es war, als sei es am Leben und kämpfe gegen sie.
Aber auch Fionas Leben stand auf dem Spiel. Sie musste hineinkommen.
Sie verstärkte ihren Griff um den Faden, bis ihre Knöchel
weiß hervortraten. Dann sägte sie hin und her und hielt ihre Konzentration aufrecht, bis ihr Schweißperlen in die Augen tropften.
Die eingeätzten Linien auf der Metalloberfläche teilten sich, und ihre Schlinge straffte sich zu einer einzelnen Linie, als sie durchdrang.
Luft trat zischend in den zuvor hermetisch abgeschlossenen Behälter ein.
Die Adern und Blumen, die in das Ei geätzt waren, glommen wie brennendes Papier, wurden schwarz und verblassten. Dann wurde das Metall weiß, als würde es rasch oxidieren.
Eliot drängte sich neben Fiona, und beide sahen sie hinein.
Von Falten schwarzen Samts umschlossen lag dort ein einzelner, gelber Apfel. Er war so groß wie ein Holzapfel und hatte einen schmalen Stiel mit einem einzigen Blatt. Mehrere winzige Stücke waren davon schon abgebissen worden, aber sein Fruchtfleisch war weiß und makellos.
»Ist das alles?«, fragte Eliot.
»Womit hast du denn gerechnet? Sie haben gesagt, dass es ein Apfel sein würde. Und jetzt ist es ein Apfel, was für ein Schock!«
Doch als Fiona den Apfel herauszog, sah sie, dass die Schale der Frucht regelmäßige goldene und silberne Streifen hatte und rubinrote und jadegrüne Punkte aufwies. Der Apfel glich eher einem Juwel, das von einem Kunsthandwerker hergestellt und geschliffen worden war, als etwas, das gewachsen war. Er war kalt und hart und roch nach Honig und Zitrusfrüchten.
Fiona lief das Wasser im Munde zusammen. Zum ersten Mal seit Tagen hatte sie Appetit auf etwas anderes als Schokolade.
»Was ist?«, fragte Eliot. »Iss ihn endlich.«
»Das will ich auch … aber das ist doch das Problem. Ich wollte auch die Pralinen – mehr als alles andere. Und sieh dir an, was passiert ist. Als ich mich losgeschnitten habe, wollte ich die Pralinen mehr als alles andere los sein. Alles, was ich
mehr als alles andere will, scheint sich als schlecht zu erweisen.«
Eliot sah sie verwirrt an.
»Es ist, als ob ich manipuliert würde«, sagte sie. »So, als würden sie mich zwingen, diese Dinge zu tun. Mich zu etwas machen, das ich nicht sein will.«
»Ist das nicht besser, als tot zu sein?« Eliots Gesicht legte sich in sorgenvolle Falten. Es war keine rhetorische Frage.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Fiona. »Es ist kompliziert. Es geht nicht nur ums Leben oder Sterben. Es geht darum, so zu leben, wie
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