Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
Beherrschung zurück und sah Louis aus zusammengekniffenen Augen an. »Es stimmt. Ich bin eure Mutter. Was ich getan habe, musste ich tun. Es gibt nichts, was ich, vor die gleiche Wahl gestellt, heute anders machen würde … bis auf einen Fehler: Ich würde nicht mehr den verschonen, der weder meine Liebe noch meine Gnade verdient hat.«
»Gnade?!« Louis lachte. »Dann möchte ich deinen ungezügelten Zorn nicht erleben, meine Liebe!«
»Kommt, Kinder«, sagte Audrey und wurde rot. »Jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt für diese Diskussion.«
Fiona fühlte, wie sich alles ringsum drehte. Ihre Mutter. Direkt vor ihr. Sie wollte zu ihr laufen und sie anschreien, dass das alles so unfair gewesen sei.
Fiona lehnte sich an Eliot. Sie mochte ihren Bruder vielleicht die meiste Zeit über nicht besonders – er ging ihr ständig auf die Nerven und geriet andauernd in Schwierigkeiten -, aber wenigstens wusste sie, wer er war. Er hatte sie nicht sein Leben lang angelogen.
Fiona sah ihn an, und Eliot schaute zu ihr hoch. Er nickte; ganz offensichtlich empfanden sie das Gleiche.
Fiona wandte sich ihrer Mutter zu. Die Welt brannte, aber sie würden diesen Ort nicht verlassen, bevor sie nicht ein paar Antworten bekommen hatten.
»Es gab nie den passenden Zeitpunkt, darüber zu sprechen. Also erzähl es uns. Sofort.«
Audreys schmale Augenbrauen wölbten sich. »Das klingt ja fast wie eine Drohung, junge Dame.«
»Fast?«, flüsterte Fiona. »Lass mich eines klarstellen: Es war eine Drohung. Noch ein Befehl von dir, noch eine Lüge, und wir gehen auf der Stelle mit unserem Vater mit. Der ist wenigstens bereit, mit uns zu reden.«
Louis klatschte in die Hände. »Ein schönes Ultimatum, mein Schatz. Und noch dazu mit einem Hauch von Ironie! Brillant!«
Audrey stand reglos da und dachte eine ganze Weile nach; dann sagte sie: »Nun gut, Fiona. Du sollst die Wahrheit erfahren. Die ganze Wahrheit.« Audrey sah zu Boden; sie konnte Fionas starrem Blick nicht länger standhalten. »Ich habe meine Mutterbindung durchgeschnitten«, sagte sie leise. »Alle Gefühle; das musste ich tun. Die Einsetzung unserer Haushaltsregeln, die Disziplin … keine echte Mutter hätte ihren Kindern diese Dinge antun können. Es gab nichts, was ich auch nur einem von euch hätte abschlagen können – ich habe euch einst so geliebt!«
Fiona wusste nicht, wie oft sie sich nach der Liebe ihrer Mutter gesehnt hatte; doch stattdessen hatte sie Regeln, Arbeiten im Haushalt oder eine Geschichtsstunde bekommen. Tränen ließen ihr alles vor den Augen verschwimmen, und sie sah Audrey dutzendfach vor sich.
»Hätte ich das ganze Affentheater nicht gemacht«, fuhr Audrey fort, »und hättet ihr herausgefunden, wer ihr wart, und eure Begabungen früher entdeckt, dann hätten sie euch gefunden. Ihr wärt nicht auf die Familien vorbereitet gewesen. Vorzutäuschen, dass ich eure Großmutter war, so dass ihr eure Eltern beide für tot halten konntet, war der einzige Weg, euch isoliert zu halten … und am Leben.«
Rein mit der Vernunft betrachtet ergab das einen Sinn. Da sie eine gefühlsmäßig reservierte Großmutter statt einer Mutter gehabt hatten und wie Einsiedler hatten leben müssen, hatten Fiona und Eliot gelernt, sich aufeinander zu verlassen statt auf liebende Eltern. Vielleicht hatte das alles in der Summe dazu geführt, dass sie eine Chance hatten, die höllische und die unsterbliche Familie zu überleben.
Doch in ihrem Herzen konnte Fiona keine Vergebung finden.
»Ihr müsst ihr noch eine Chance geben«, flüsterte Louis. »Wir haben alle schon Schreckliches getan, weil wir es für das Beste hielten.« Er sah Audrey an. »Sogar jetzt werde ich dich nicht hassen, meine Liebe.«
Audreys Gesicht zitterte vor kaum unterdrückten Gefühlen.
»Noch eine Chance?«, flüsterte Fiona. Wie konnte sie ihrer
Mutter verzeihen, wenn alles, was sie noch in sich hatte, Trauer und Zorn waren?
Eliot berührte ihren Arm. »Jetzt ist es vorbei. All die Prüfungen und Proben. Die Familien« – er warf einen Blick auf Louis – »haben sich jetzt beide gezeigt. Wir können einen Neuanfang machen.«
Fiona erinnerte sich an das, was Cee ihr damals im Krankenhaus gesagt hatte: dass Audrey sich selbst auch von etwas losgeschnitten und große Opfer für sie gebracht hätte. Aber wenn sie die Liebe zu ihren Kindern abgetrennt hatte, was blieb dann noch übrig? Nur mütterliches Pflichtgefühl? Fiona konnte sich nicht vorstellen, wie das gewesen sein mochte. War
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