Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
auf sein Herz. »Ich glaube, ›sie‹ haben mich schon gefunden. Sie wären doch nie hergekommen, ohne Meldung zu machen, oder?«
Er stand auf, hob die Hände zu einer allgemeinverständlichen, nicht bedrohlichen Gebärde und machte einen Schritt auf die Tür zu. »Ist ja gut, Mädchen. Sachte!«
Welmann sah sein Spiegelbild in ihrem Messer. Das brachte Unglück. Er schwitzte jetzt so sehr, dass ihm das T-Shirt am Brustkorb klebte. Aber worüber machte er sich überhaupt Sorgen? Sie konnte beim besten Willen nicht über den Tisch langen. Und er hatte zwei Pistolen. Er musste sich nur zusammenreißen und sich so geschmeidig wie möglich herauswinden.
»Vielleicht sollte ich verschwinden«, flüsterte er. »Wie Sie schon sagten.«
»Sie müssen tun, wozu Ihre Natur Sie zwingt, und Ihrem Herrn dienen.« Sie stand vom Stuhl auf. Noch immer hielt sie das Messer in der Hand. »Und ich muss tun, was in meiner Natur liegt: meine Kinder schützen.«
Plötzlich roch er den Tod im Zimmer: das leichentrockene Papier all der Bücher, den Geruch nach Formaldehyd und irgendwo … Blut.
Welmann zog seinen Colt Python und zielte auf ihren Körperschwerpunkt.
Audrey Post zuckte nicht mit der Wimper; sie sah die Pistole noch nicht einmal an. Mit der Spitze ihrer Klinge drückte sie ein Loch in den Kuchen. »Sie haben noch gar nicht gesagt, ob Sie Kuchen wollen.«
»Was?« Verwirrt ließ er seine Pistole ein wenig sinken. »Ich dachte, Sie wollen, dass ich gehe?«
»Nein. Ich sagte, dass Sie verschwinden müssen.« Sie sah auf und starrte ihm in die Augen. »Beseitigt werden.«
Sein Instinkt übernahm die Führung. Er hatte ihm schon Dutzende von Malen die Haut gerettet.
Nicht nachdenken. In jeder Faser seines Körpers spürte er, dass er sich bewegen musste, bevor sie wieder sprach, und die Nerven in Arm und Hand drückten zu.
Welmann schoss drei Mal.
Er blinzelte im Mündungsfeuer.
Es dauerte einen Sekundenbruchteil, bis er wieder klar sah, und als er es tat, sah er verschwommen, wie Stahl auf seine Kehle zugewirbelt kam.
Niemand konnte sich so schnell bewegen, es sei denn …
Audrey Posts Messer schnitt durch seine Halsschlagader und durchtrennte ihm die Wirbelsäule.
7
Noch mehr Geburtstagsüberraschungen
Fiona schob sich durch die Seitentür der Oakwood Apartments. Sie blieb auf dem Bürgersteig stehen und zupfte an ihrem Kleid. In dem Versuch, den rosafarbenen Stoff zu glätten, zog sie es weiter über ihren Oberkörper herunter. Wegen ihres Sprints die Treppen hinab hatte es sich noch enger zusammengeschoben.
Schon jetzt war es warm. Die Sonne des Spätsommers brannte tief am Himmel. Fiona sah sie aus zusammengekniffenen Augen an und wünschte sich, sie hätte heute Shorts und ein T-Shirt tragen können.
Eliot stürmte hinter ihr durch die Tür.
»Das ist nicht fair«, keuchte er. »Du … bist losgerannt … bevor ich damit fertig war … mir die Schuhe zuzubinden.«
»Ich habe gewonnen. Find dich damit ab.« Sie runzelte die Stirn. »Was glaubst du, wer war Mr. Welmann?«
Eliot schüttelte den Kopf. »Großmutter hat gesagt ›ein Freund der Familie‹. Aber bisher sind noch nie irgendwelche Freunde von ihr einfach so vorbeigekommen.«
Großmutter hatte überhaupt keine Freunde, von denen einer von ihnen beiden wusste.
Fiona ging die Midway Avenue hinauf; Eliot hielt neben ihr Schritt. »Glaubst du, dass er Mama oder Papa kannte?«
»Warum sonst wären wir so schnell hinausgescheucht worden?«, sagte sie.
Es reißt alte Wunden auf , dachte Fiona. Das sagte Cecilia immer zu ihnen, wenn sie ihre Eltern erwähnten. An die Vergangenheit zu denken, obwohl doch nichts dabei herauskommt, sagte sie, ist genauso, als würdet ihr Schorf abkratzen.
Aber Fiona wollte etwas – irgendetwas – alles über ihre Eltern herausfinden. Es waren riesenhafte Puzzleteile, die nur darauf warteten, zusammengesetzt zu werden. Nur, dass Großmutter die Kiste mit allen Teilen auf ein Regal gestellt hatte, das genau außerhalb ihrer Reichweite lag.
»Spielt das eine Rolle?«, fragte sie. »Was würde es denn ändern, wenn wir eine lausige Geschichte von diesem Welmann zu hören bekämen?«
»Nichts«, antwortete Eliot mit abwesender Stimme.
Fiona berührte den glatten, zu glänzenden Stoff ihres Geburtstagskleids. Um die Hüften bauschte es sich, saß aber über der Brust eng wie ein Korsett. Sie sah lächerlich aus. Sie warf einen Blick zu Eliot: eine Ansammlung von Streifen, die sich bissen. Wenigstens würde er sich
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