Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
seinen liebsten Film-noir-Streifen vorstellen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie und musterte ihn, als wäre er verschmierter Hundekot an ihrem Stiefel.
Welmann hatte das Gefühl, in einem Fahrstuhl nach unten zu sacken – gerade genug, um aus dem Gleichgewicht zu geraten.
Er warf einen Blick in die Wohnung. Darin befanden sich eine Milliarde Bücher: Regale an jeder vertikalen Fläche, ordentliche Stapel und überquellende Haufen. Und es waren richtige Bücher, mit Leder und goldenen Lettern – keine einzige Fernsehzeitschrift in Sicht.
Er sah nicht, was ihn so unbehaglich machte, aber er spürte es: Seine Haut juckte, und er wurde zappelig. Hier gab es irgendetwas Gefährliches.
»Ich suche …«
Da entdeckte er sie: Am Ende des Flurs, an einem Tisch, saßen Eliot und Fiona Post. Sie blinzelten ihn mit demselben Kaninchen-sieht-Schlange-Blick an wie auf ihren Fotos.
Das unbehagliche Fahrstuhlgefühl in Welmann kam zum Stillstand, weil das Aufzugseil riss und ihm übel wurde.
Er verband die einzelnen Punkte miteinander. Die Hausmeisterin in 3A. Post-Kinder in 3A. Kein Post an den Briefkästen, weil sie von der Frau versteckt wurden, die vor ihm stand. Der Frau, die er aufzuspüren versucht hatte: Audrey Post.
Welmann blickte ihr in die grauen Augen und sah sie erst jetzt wirklich .
Er konnte den Blick nicht abwenden. Dort drinnen war Kraft – und zwar nicht solche wie die schattenhafte Illusion, die auf Crumbles Visitenkarte gedruckt gewesen war. Das hier war das Tosen der Ozeanbrandung, unwiderstehliche Gezeiten, die ihn tiefer hinabzogen …
Er ertrank. Konnte nicht atmen.
»Sie suchen was ?«, fragte sie. »Mr. …?«
Seine Trance endete, und er fand seine Stimme wieder. »Welmann«, flüsterte er und räusperte sich. »Marcus Welmann.« Er verneigte sich leicht vor ihr, was das Blödeste war, was er seit
langer Zeit getan hatte. Doch irgendwie fühlte es sich wie das einzig Mögliche an.
Ihr Blick verhärtete sich, und sie öffnete die Tür weiter. »Kommen Sie herein, Mr. Welmann.«
Als Welmanns Boss ihm diesen Auftrag gegeben hatte, hatte er sich kristallklar ausgedrückt: Audrey Post finden, Bericht erstatten und unter keinen Umständen Kontakt aufnehmen.
Und jetzt nahm er gerade Kontakt auf.
Welmann konnte das hinbiegen, aber er würde sich herausreden müssen. Und darin war er nicht besonders gut.
Audrey Post führte ihn hinein.
Es roch nach Gebackenem und den durchdringenden Ausdünstungen der modernden Seiten all dieser Bücher.
Im Esszimmer war eine sehr alte Frau, die den Kindern nicht von der Seite wich. Sie trug etwas, das ein Kostüm aus Vom Winde verweht hätte sein können, und sah so uralt aus, dass sie es während eines echten Tanzabends der Bürgerkriegszeit getragen haben mochte. Böse starrte sie ihn an.
Der Junge und das Mädchen hielten Bücher auf dem Schoß und musterten Welmann mit dieser Mischung aus Verärgerung und Neugier, die typisch für Teenager war.
Hinter ihnen hing quer vor dem Fenster ein Banner mit der Aufschrift HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUM GEBURTSTAG. Marcus störte sehr – und das auf peinliche Weise.
Gute Ermittlungstaktik: einfach die Geburtstagsfeier dieser Kinder zu sprengen. Nett und unauffällig , dachte er. Aber immer noch besser er als Crumble.
»Kinder«, sagte Audrey Post, »das ist Mr. Welmann, ein alter Freund der Familie.«
Welmann schob die falsche Polizeimarke zurück in die Tasche. So viel zu dem Trick. Audrey Post spielte ein anderes Spiel, eines, dessen Regeln er nicht verstand. Am besten, er machte fürs Erste einfach mit.
Der Junge und das Mädchen tauschten Blicke und starrten ihn dann an. Sie waren ein oder zwei Jahre jünger als Robert.
»Freund der Familie?« Fiona beugte sich vor. »Haben Sie unsere Eltern gekannt?«
»Psst«, sagte Audrey zu ihr. »Geht schon – ihr kommt zu spät zur Arbeit, alle beide.« Ihre Stimme wurde ein wenig weicher, als sie hinzusetzte: »Wir beenden unsere Feier später. Ich habe mit dem Herrn hier etwas Geschäftliches zu besprechen.«
Beide Kinder warfen einen Blick auf irgendwelche Papiertüten auf dem Tisch und sagten dann gleichzeitig: »Ja, Großmutter.« Sie standen auf, nickten Welmann zu und zogen sich in die Schatten der Wohnung zurück.
Also war Ms. Audrey Post ihre Großmutter. Das ergab Sinn. Welmann lauschte, konnte aber niemanden sonst in der Wohnung hören. Wo waren die Mutter und der Vater der Kinder? Eltern verpassten normalerweise keine Geburtstage. Doch das
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