Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
Vom Netzwerk:
einen unbehaglichen Blick über die Schulter auf das vierte Ratsmitglied: eine Frau.
    Sie saß getrennt von den Männern. Ihr Alter hätte zwanzig oder vierzig Jahre betragen können, denn sie besaß eine zeitlose Schönheit, die dem Alter zu trotzen schien – solange sie es mit Make-up verbarg. Sie trug ein mit roten Rosen besticktes schwarzes Kleid. Ein kleiner schwarzer Hut saß auf ihrem rotgefärbten
Haar. Ihr Gesicht war bleich; die Lippen hatten dasselbe Rot wie die Rosen auf ihrem Kleid, und der abschätzige Blick ihrer hellbraunen Augen gab nichts preis.
    Lucia war Audreys jüngere Schwester – bildhübsch, hasserfüllt und intrigant.
    Audrey wusste, was sie dachte. Das schwarze Kleid und der Hut verrieten es. Lucia trug ihre Gefühle offen zur Schau: Das schwarze Kleid war für eine Beerdigung.
    »Ich freue mich, dass du heute Morgen zu uns kommen konntest, Schwester.« Lucias Stimme war glatt und melodisch. Männer liebten das, doch Audreys Ohren peinigte es. »Und die Kinder?«, fragte Lucia, an Henry gewandt.
    »Bekommen zu essen und sind auf dem Anwesen sicher abgeschirmt«, sagte er.
    »Gut«, gurrte sie. »Ich kann es gar nicht erwarten, sie kennenzulernen.«
    Die Feindschaft zwischen Audrey und ihrer Schwester war zeitlos. Und anders als Eliot und Fiona trugen sie ihre Meinungsverschiedenheiten nicht in einem Vokabelbeleidigungswettkampf aus.
    Lucia musste es auf die Kinder abgesehen haben. Audrey trat zwei Schritte auf sie zu. Sie schwor sich, dass, wenn heute irgendjemand sterben musste, Lucia die Erste sein würde.
    Dann fiel ihr etwas auf. »Es sind nur fünf von euch hier. Wo sind die anderen beiden Ratsmitglieder?«
    »Unterwegs«, erklärte Lucia. »Wir haben beschlossen, schon anzufangen, weil diese Angelegenheit so dringend ist.«
    Henry verließ Audreys Seite und setzte sich zwischen Lucia und die anderen. »Wir haben Beschlussfähigkeit«, sagte er.
    Im Prinzip stimmte das. Fünf Ratsmitglieder konnten bindende Beschlüsse fassen. Das wurde aber kaum jemals getan, weil es als Unterlaufen des normalen Vorgehens empfunden wurde, das darauf ausgelegt war, durchdacht und langsam zu sein.
    Lucia hätte so etwas nie versucht, wenn sie sich nicht sicher gewesen wäre, wie das Ergebnis lauten würde. Sie musste Aaron und Gilbert irgendwie in der Hand haben. Auf welcher
Seite Henry stand, änderte sich andererseits immer wieder so rasch und unvorhersehbar, wie der Wind umschlug. Und der alte Cornelius würde für ihre Reize oder Erpressungsversuche unempfänglich sein.
    Das verschaffte Lucia drei von fünf Stimmen. War also alles schon beschlossen und die Debatte nur eine Formalität, eine Gelegenheit für sie, um zuzusehen, wie Audrey sich wand?
    Nicht, wenn sie ihre kleine Schwester überlisten konnte.
    »Lasst uns beginnen.« Lucia läutete eine winzige Silberglocke. »Ich erkläre hiermit die Sitzung des Ältestenrats der Liga für eröffnet. Möge ein jeder kommen, um zu hören, Eingaben zu machen und gerichtet zu werden. Loquere, audi, disce !« 15
    »Ich schlage vor, dass wir die Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung überspringen«, sagte Henry mit hoffnungsvoll hochgezogenen Augenbrauen.
    »Bin dafür«, erklärte Aaron sofort.
    »Also beschlossen«, bemerkte Lucia und legte die Hände in den Schoß. Sie sah erst die Ratsmitglieder, dann Audrey bedeutungsschwer an. »Heute suchen wir Rat, wie wir in einer heiklen Angelegenheit vorgehen können. Meine älteste Schwester hat zwei Kinder fragwürdiger Abstammung in ihrer Obhut.«
    Audrey gefiel dieser Eiertanz nicht; auch hielt sie nichts von den kaum verhüllten Beleidigungen. Sie versetzte dem Sand einen Tritt, so dass er das Kleid ihrer Schwester besprenkelte.
    Audrey ertappte Aaron dabei, wie er sich die Hand vor die Lippen hielt, um sein Vergnügen an diesem Akt der Rebellion zu verbergen.
    »Dein Mund ist allzu voll von Worten«, sagte Audrey. »Mach doch einfach deinen Vorschlag: Du willst, dass sie getötet werden.«
    Lucia lächelte mit geheuchelter Sanftmut. »Noch immer das Messer, Schwester? Gleich zum Kern der Sache vorstoßen und alle Nuancen einer Situation ignorieren?«

    Audrey schenkte ihrer Schwester ihrerseits ein Lächeln. Diesem Lächeln lag allerdings die Vorstellung zugrunde, Lucia das Herz herauszuschneiden und es in den Schoß ihres Beerdigungskleids fallen zu lassen, so dass ein kunstvolles Stillleben aus Rosenrot und frischem Blut entstanden wäre.
    Lucias Lächeln erstarb.
    Gilbert fragte: »Sind sie

Weitere Kostenlose Bücher