Gemischte Gefühle
ist noch abg e deckt. Wind und Regen konnten ihr nichts anhaben. So w i derfährt seinem rastlosen Schaffen wenigstens keine längere Unterbrechung.
Gerade hat er mit verkniffener Miene eine Anzahl der durchei na ndergewirbelten Manuskriptseiten aufgesammelt, da ertönt von der Tür seines Apartments der Summer. Euer Autor stößt einen lauten Seufzer aus, wirft die Blätter in den Ablagekorb und geht die Tür öffnen. Und wer steht unte r mutet auf der Matte? Ist es ein Geist (oder vielleicht besser: das Gespenst?) Hugo Gernsbacks, der sich als zehnte Muse betätigt und eurem begabten Science Fiction-Autor neue Ideen von intergalaktischer Spitzenklasse einflüstern möc h te? Ein Mann von einem anderen Planeten, der nichts and e res zu tun hat und ihn gern über das Rätsel der Ufos aufkl ä ren würde? Ein Mann aus einer anderen Zeit, der in seine Hände das Geheimnis der Zeitreise legen will? 8143 Däm o nen, die danach trachten, das Universum zu verschlingen? Eine strammärschige Blondine, die sich endlich dazu durc h gerungen hat, vor ihrem verehrten Lieblingsautor auf die Knie zu sinken und ihn darum anzuflehen, ihm die Hand küssen zu dürfen? Quatsch! Niemand anderes als sein leibl i cher Bruder und dessen Angetraute sind es, die vor seiner Tür stehen und Gesichter aufgesetzt haben wie Bradb u ry ’ sche Blitzableitervertreter: zerknittert von Schwermut, unablässig gehetzt durch bedrohliche Vorahnungen, ve r krampft im Bewußtsein der eigenen Ratlosigkeit. „ Du …!“ Seines leiblichen Bruders krummer Zeigefinger zuckt vo r wärts, als er unaufgefordert über die Schwelle tritt. Mit se i ner kruden Halblangfrisur, dem graublauen Kinn und der leicht knollenartigen Nase, dem Erbteil seiner Mutter, das eurem mittlerweile beträchtlich angehärmten Autor glückl i cherweise versagt blieb, sieht desselben leiblicher Bruder aus wie eine miese Karikatur von Abi Ofarim. „ Was hast du getan? Was fällt dir ein?! “
„ Wie konntest du denn so etwas machen? “ ergänzt ihn gekrächzt seine spargeldürre Gattin, an ihre nutzlose Han d tasche geklammert wie eine ausgehungerte Äffin.
„ Wovon redet ihr “ erkundigte sich mit beherrschter Stimme euer Science Fiction-Autor, dem allerdings schon Schlimmes schwant. Offenbar ist unterdessen die ganze Verwandtschaft in Aufruhr geraten, und wie immer ist er an allem schuld, obwohl er doch hauptsächlich zu Hause sitzt und fleißig schreibt. „ Worum geht ’ s? “
„ Du bist an allem schuld “ , behauptet prompt wie unve r froren sein leiblicher Bruder und wirft sich die Strähnen aus der Stirn, indem er sich strafft, um seine Anschuldigungen buchstäblich erhobenen Hauptes vorzutragen. Sein Kinn zittert aus selbstgerechter Aggressivität, einem Surrogat, das häufig beim Mangel an echtem Anlaß zu gerechtem Zorn herhalten muß. „ Erst bringst du Günther mit deinen Spinn e reien völlig aus dem Gleichg e wicht. Dann verweigerst du unserer schwer geprüften leiblichen Schwester jeden brüde r lichen Beistand. Außerdem hast du unserer Mutter mit brut a ler Gewalt Alkohol eingeflößt – unserer eigenen leiblichen Mutter! Was hast du dir nur dabei gedacht? “
„ Wir haben eure Schwester in der Sprechstunde bei Dr. K. getroffen; nach deinem unverschämten Auftritt mußte sie sich sofort zu ihm zur Therapie begeben, und sie hat uns alles erzählt. Du hast die Haustür dermaßen zugeschlagen, daß drinnen alles zusammengebrochen ist, der Schaden geht ins Unermeßliche, man denke allein an das wertvolle japan i sche Tee-Service, ganz zu schweigen von …“
„ Wie bitte? “ Vor diesem Unrecht, das ihm geschieht, ve r sagt zunächst die Fassungskraft eures dank seines in der Entstehung begriffenen Werkes Geschaffen ganz aus Schweigen auf den Stufen zum Weltruhm angesiedelten Science Fiction-Schriftstellers; er starrt seinen leiblichen Bruder und dessen Gattin an, als wären sie ein Paar aus einer anderen Zeit, die der Gegenwart so fremd erscheinen muß wie den Troglodyten die Schaltzentrale eines Kernkraftwe r kes.
Sein leiblicher Bruder bläst sich noch stärker auf, so daß ihm an den Schultern seiner beschissenen konservativen Tweedjacke schier die Nähte platzen wollen. Aus Gehässi g keit ist sein Maul so breit geworden wie das eines Ochse n froschs. „ Du solltest dich was schämen “ , rät er in vollem Ernst. „ Die Familie hat deine Verdrehtheiten und Saufereien sowieso schon lange satt, aber nun hast du dir zuviel herau s genommen. Du bist
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