Gemischte Gefühle
draußen Geschöpfe, die kein Mensch mehr sehen wird, vielleicht durchstreifen siliziumgepanzerte M as todonten und Dinosaurier die rote Glut, womöglich ist das Feuer kein leuchtendes Fanal einer außer Kontrolle geratenen Technologie, sondern eine R e gression in archaische Vorzeiten, ein Rückschritt in die luf t leeren Äonen des Kryptozoikums, wo die Erde als flüssiger Glutball entstand, als der sie nun auch endet, womit der Kreis geschlossen ist? Vielleicht äsen gerade jetzt unird i sche, vorzeitliche Monster an zu Kohle und Asche verbran n ten Baumruinen?
Mit einem Mal wirkt das Antlitz der Flammen nicht mehr verlockend, die Protuberanzen bilden fürchterliche Fratzen, die mich anstarren, mich und mein schwindendes Reich, das noch an die Erde gemahnt. Oder sollte ich die letzte Narbe, der letzte Anachronismus, im glutflüssigen Meer der Er d oberfläche sein, die es auszumerzen gilt?
Drinnen umfängt mich die Geborgenheit eines kleinen Raums. Ein Bett, zwei Stühle, der niedrige Tisch, auf dem die graue, tote Mattscheibe des Fernsehgerätes steht (auch das seit langem schon stumm). Das letzte, was es mir zeigte, war die Kulisse des sterbenden New York, dessen Wolke n kratzer wie bleiche Skelettfinger einer Totenhand aufragten, die dunklen Fensteröffnungen blicklos nach nirgendwo sta r rend, eine erschreckende, einsame Ruine, wo vor kurzem noch Millionen Menschen lebten.
Ein neuer Tag ist angebrochen, die Feuergrenze hat sich mir bis auf wenige Kilometer genähert. So gewaltig ist ihr W i derschein, daß selbst die grelle, weiße Sonne blaß und kühl dagegen wirkt. Wieviel Zeit mir wohl noch bleibt?
Noch einmal habe ich die Meßwerte abgelesen. Es ist heißer geworden, mit Hemd und Shorts habe ich die letzten Kleidungsstücke abgelegt. Wie Gott mich erschaffen hat, werde ich die letzten Stunden verbringen. Schweiß strömt mir den Rücken hinab. Durch die Funkgeräte kommt, wie seit Wochen schon, nur das neutrale Rauschen des Äthers. Mit müder, emotionsloser Stimme gebe ich die Meßwerte durch, und ein bitteres Lachen entringt sich meiner durstigen Kehle, pflichtbewußt bis in den Tod, ha!
Der Brunnen ist versiegt, nur wenig einer sandigen, tr ü ben, lauwarmen Brühe fand sich im Eimer, den ich hinabg e lassen hatte, eine letzte Labung meiner schmerzenden Kehle bleibt mir versagt.
Hinter mir fallen die letzten Baumriesen des Dschungels, gewa lt ige Feuerlilien mit brennenden Blüten von unird i scher, teuflischer Schönheit ragen an ihrer Stelle auf. Der letzte Zeuge einer vergangenen, nur noch traumhaft wirke n den Realität kam heute zu mir: ein verängstigtes, halb ve r branntes Stacheltier, ein Igel; mit schwankenden, unsicheren Schritten rettete er sich bis vor die Stufen zu meinem Haus, seine Stacheln waren teilweise schon angesengt, es roch u n angenehm nach schmorendem H o rn, doch ich hob ihn auf und nahm ihn mit hinein. Gern hätte ich ihm etwas zu essen gegeben, hätte ich nur gewußt, was, denn sicherlich hat er seit Tagen keine Nahrung mehr zu sich genommen. Ich fr a ge mich, wie es dem Tier wohl gelungen ist, in der fla m menden Wildnis dort unten zu überleben.
Nun sitze ich hier, den Igel im Schoß, matt beschnuppert er den Stoff der Shorts, die ich wieder übergezogen habe, um mich an seinen Stacheln nicht zu verletzten. Als ob das jetzt noch eine Rolle spielen würde.
Mit fiebrigen Augen verfolge ich den Reigen, den die Flammengeister um mein Anwesen herum tanzen. Immer näher rücken sie dieser letzten Enklave einer zum Untergang verurteilten Welt. Der Wind weht die gierig lechzenden Flammen bereits bis hierher, er versengt meine Haare mit seinem feurigen Atem und macht mir das Luftholen zur Qual. Der Igel betrachtet mich mit stumpfen, glanzlosen Augen, als wüßte er um unser gemeinsames Schicksal.
Unten in der Gluthölle glaube ich Wesen zu erkennen, g i gantische, heraldische Salamander und anderes unnatürl i ches Getier, die Erben des Infernos, das nun auch mich ve r schlingt. Die Hitze hat noch zugenommen, und keiner B e wegung mehr fähig, betrachte ich die unaufhaltsam sich n ä her schiebende Wand tosenden Feuers.
Der Wind, der heiße Atem des neuen Zeitalters, u m streicht mit glühendem Hauch die fernen Berge. Töne wie von einer überirdischen Äolsharfe klingen zu mir herüber, Fanfaren der Zukunft, der Zeit des Feuers.
Der kleine, stachelige Igel in meinen Händen ist ruhig. Wie ich scheint er sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Ein tiefer Friede
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