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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Toningenieur und (eventuell) Beleuchter. Dazu kam dann noch der Repo r ter, der oft genug abseits vom Team seine Recherchen a n stellte. Seit zehn Jahren, also seit etwa 1985, mit der Einfü h rung der ersten Allround-Kameraausrüstung mit Einman n bedienung, ist das alles überflüssig geworden. Nun bin ich mit meiner Kamera allein vor Ort: Als Reporter und Kam e ramann in einer Person; das eingebaute Richtmikro auf Schwenkachse sowie der automatische Lichtausgleich, der selbst bei schlechtesten Lichtverhältnissen das Drehen noch erlaubt, haben auch die restlichen Teammitglieder überflü s sig gemacht. Manchmal stört mich freilich das Reportag e mikro direkt vor meiner Nase, aber da die neue 4-DX-Video praktisch selbsttätig arbeitet, sobald ich sie auf ein lohne n des Motiv gerichtet habe, kann ich mich doch sehr auf den Text konzentrieren, den ich auf das fertig geschnittene Mat e rial spreche, wie ich es auf dem (leider etwas zu kleinen) Monitor sehe.
     
    30. Mai
     
    Gestern kam ich nicht dazu, wenigstens einige Eindrücke festzuhalten.
    Der Flug verlief ruhig, der Service an Bord der Maschine war, wie immer in den letzten Jahren, miserabel. Der Zoll in Dakka machte einige Schwierigkeiten, aber auch daran habe ich mich schon gewöhnt. Bis ich dann in meinem Hotel – dem „ Metropol “ – war, ging gerade die Sonne unter. Nach einem schnellen Imbiß und einem erneuten Checking der Kamera, die (toi, toi, toi) die Reise gut überstanden hat, blieb gerade noch Zeit für einen Drin k a n der Bar. Dort traf ich dann einige Kollegen, die bereits seit Tagen hier sind, darunter Jose Amadillo von Brazil Inier und Hajime Suzuma von Nippon Standard TV sowie Terry Marx, der für eine Privatfirma an einer Dokumentation über „ Katastrophen 1995 “ arbeitet. Jose und Terry kenne ich von mehreren Einsätzen her, unter anderem aus Zentralafrika von der gr o ßen Flut und von dem Erdbeben vor zwei Jahren auf den Ryukyu-Inseln. Hajime Suzuma war mir bisher nur vom Hörensagen bekannt; er gilt als scharfer Hund, der überall hart am Ball bleibt. Alle drei Konkurrenten, gewiß, aber auch prima Kumpels.
    Heute habe ich als erstes einmal die Stadt in Augenschein genommen. Sie ist total überfüllt, da die Bevölkerung vom Lande hereinströmt in der Hoffnung, hier etwas zu essen zu bekommen. Doch da die Stadtverwaltung Rationierungsbons ausgegeben hat, die nur für alteingesessene Stadtbewohner gelten, krepieren die Bauern schon direkt vor der Hoteltür. Habe einige nette Motive gesehen (bei einer Rauferei um einen schimmligen Reisfladen hat ein Jugendlicher einem Greis das linke Auge ausgekratzt). Habe mich geärgert, daß ich die Kamera im Hotel gelassen habe.
    Zurück im Hotel, mußte ich feststellen, daß diese Fl a schen noch nicht einmal in der Lage sind, ihren Gästen ein Steak vorzusetzen. Mußte mich mit Spiegeleiern auf Toast begnügen. Die Eier schmeckten schauderhaft nach Fisc h mehl, ich habe die Hälfte stehenlassen und eine geharnischte Beschwerde angebracht. Doch diese sturen Hunde kann nichts beeindrucken. Der schiefnasige Kellner hat nur mit der Achsel gezuckt und abgeräumt. Als ich gleich darauf den Speisesaal verließ, sah ich ihn in einer Ecke meinen Te l ler leeren. Na, wohl bekomm ’ s!
     
    31. Mai
     
    Ich bin rechtschaffen müde. Dieser Tag hatte es in sich. Gleich am Morgen sind Terry Marx und ich in die Umg e bung von Dakka gefahren, auf der Suche nach lohnenden Motiven. Ich glaube, ich habe erstklassiges Material b e kommen.
    Etwa neun Kilometer außerhalb trafen wir in einem Dorf mit unaussprechlichem Namen auf ein Notaufnahmelager. Ein unerwarteter nächtlicher Platzregen hatte die Wege des Lagers zum Teil bis in Kniehöhe unter Wasser gesetzt. Die Leute hocken wahllos i n i rgendwelchen schlammgefüllten Löchern; das Wasser steht ihnen bis zum Hals – doch sie rühren keinen Finger, um sich selbst zu helfen. Dazwischen liegen die Leichen der Verhungerten, keiner kümmert sich um ihre Beseitigung. Sicher, das gibt Bilder, doch etwas mehr „ action “ wäre mir lieber. Schließlich kann ich hier nicht so lange warten, bis die Cholera ausbricht (und Anze i chen dafür gibt es). Schön und gut: Die Mutter, die in der vergangenen Nacht ihr Baby nicht schnell genug aus den einströmenden Fluten geborgen hat und nun, das ertrunkene Mädchen im Arm, in ihrem Dreckloch sitzt und vor sich hinstarrt, ist vielleicht als Einstieg für mein Feature nicht schlecht. Aber eigentlich hatte ich mir mehr

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