Gemischte Gefühle
er ist reif. Du bist doch sonst nicht so zimperlich! “
„ Gib ihm eine Chance! “ bat Christa.
„ Was meinst du? Soll ich den Kampf abbrechen? “
„ Nur eine Chance “ , wiederholte Christa. „ Laß ihn einfach kämpfen, nur kämpfen warum willst du auch noch eingre i fen, es erwischt ihn noch früh genug! “
„ Du bist verrückt! Wozu lassen wir den Tieren Elektr o den ins Gehirn pflanzen? Wozu das komplizierte System der Fernsteuerung? Wozu die Richtantenne und der Sender? Da können wir doch gleich Stierkämpfe aufführen. “ Er schlug mit der Faust auf das Pult. „ Hast du denn nicht begriffen, daß das die Idee ist, der wir den Erfolg verdanken: daß wir die Kämpfe inszenieren. Daß wir sie vorbereiten und planen – damit die Show genauso abläuft, daß ein Maximum an Spannung resultiert! “
„ Ist das jetzt noch notwendig? “ fragte Christa. „ Du bist längst ganz oben, niemand kann dir deinen Rang streitig machen. Selbst wenn du auf die Steuerung verzichtest! “
„ Und die Wetten? Hast du vergessen, daß die Wettei n nahmen den größten Teil des Verdienstes ausmachen? Jetzt nimm dich endlich zusammen! Objekt auf F 5, Sprung auf C 2 … Angriff! “
Das Mädchen bewegte sich nicht.
Der Chef wandte sich vom Bildschirm ab. „ Er ist dir doch gleichgültig, wie? “
Das Mädchen nickte.
„ Dann vorwärts! Der Kampf dauert sowieso schon zu lange! Objekt auf C 1. Angriff! “
Das Mädchen saß unbeweglich da.
Der Mann lächelte grausam. „ Laß mich lieber selbst an den Schalttisch. Du bist deiner Aufgabe nicht gewachsen! “
Christa stand auf. Nun hatte sie einen Ausblick durch das große Fenster der Vorderfront, hinab auf die Arena. Dort unten lag der Mann im Sand, und dicht vor ihm, mit hoche r hob e nem Horn , stand die Spinne. Das Mädchen trat zurück, z u vor aber griff es rasch zur Tastatur und drückte einen Knopf. Wieder drang der schrille Aufschrei der Menge aus den Lautsprechern. Der Direktor starrte auf den Bildschirm. Dort waren nun die beiden Punkte zu einem verschmolzen. Der Blick des Mädchens war leer und hing irgendwo im Ung e wissen. Der Schaukampf war zu Ende.
Jörg Weigand
Immer am Ball
27. Mai
Heute vormittag kam Order von der World Wide TV-News: Auf dem schnellsten Wege nach Indien. Da ich die verga n genen Tage vor der kanadischen Küste das A b schlachten der allerletzten Robben gedreht habe (tolle Bi l der; die neue 4-X-Video-Kamera vermittelt den Eindruck, als spritze einem das Blut direkt ins Gesicht), bin ich nicht auf dem laufenden. Nach allem, was ich bisher weiß, sche i nen in Bangladesh wieder eine Menge Menschen am Verhungern zu sein. E i gentlich scheußlich, solche Verhunger n den, aber ich habe das schon einmal mitgemacht. Man g e wöhnt sich an alles; nichts als Routine.
WW-TV hat mehrere aktuelle Berichte und ein 45-Minuten-Feature bestellt. Feine Sache, damit ist eine Menge Geld zu machen. Vor der Abreise muß ich aber noch mit Wolf Maier von der WW-TV sprechen, diesmal sollen die mir nicht die Butter vom Brot nehmen; die ausländischen Verwertungsrechte müssen bei mir bleiben. Besonders da ich mir vorstelle, das Feature diesmal um den Themenkreis „ Mutter – Kind “ herumzubauen. Wenn so ein halbverhu n gertes Kleines mit brauner Haut über dem aufgequollenen Bauch an den schlaffen Brüsten der auch schon fast toten Mutter kaut – das sind Bilder, die den Zuschauer anspr e chen. Und so was läßt sich auch spielend international ve r markten.
28. Mai
Vor der Abreise.
Gerade war ich bei Maier. Alles geregelt. Zuerst wollten die bei WW-TV einen Aufstand veranstalten, aber dann h a ben sie doch klein beigegeben. Besonders als ich ihnen das Telex unter die Nase hielt, auf dem International Sensation mich aufforderte, für sie in Bangladesh zu drehen. Gut, daß ich Ted bei IS-TV kenne; irgendwann werde ich ihm den kleinen Freundschaftsdienst mit dem getürkten Telex schon vergelten können.
Habe die Kamera noch einmal durchgecheckt. Alles okay. Nur das Zoom wollte zuerst nicht recht; irgendein Schmut z partikelchen muß sich an der Schiene festgesetzt haben. Mit dem Staubpinsel war schließlich auch das in Ordnung zu bringen. Seitdem die TV-Anstalten sparen und nur noch Einmann-Berichterstatter bezahlen wollen, muß ich beso n ders sorgfältig darauf achten, daß mit der Kamera immer alles in Ordnung ist.
Früher, als ich gelernt habe, bestand ein Team immerhin aus vier Leuten: Kameramann, Kamera-Assi,
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