Gemma
gleich mit denselben Nadeln das zerrissene
Fleisch eines Mannes, ihres Mannes, nähen. Sie schluckte. Auf dieser Reise gab
es wirklich eine Menge erste Male ...
Gemma schickte ein stilles Stoßgebet zum Himmel. Sie würde alles
dafür geben, einfach alles, wenn es ihr gelang, Bryce' Leben zu retten. Er
durfte nicht sterben.
Entschlossen schob sie den Gedanken daran von
sich und machte sich ans Werk. Sie goss heißes Wasser in eine Schüssel,
reinigte ihre Hände mit scharfer Seife und übergoss sie ebenfalls mit Rum. Ihre
Haut brannte, aber sie ignorierte es.
Vorsichtig begann sie dann, die Wunde zu
untersuchen. Der Holzsplitter steckte tief in Bryce' Bein, und so sehr Gemma es
auch versuchte, so fanden ihre Hände doch an dem vor Blut glitschigen Holz
keinen Halt. Es war Butch, der das Stück Holz schließlich mit einer gefährlich
aussehenden Zange ergriff und Millimeter für Millimeter aus Bryce'
widerstrebendem Fleisch zog. Frisches Blut quoll wie ein roter Schwall aus der
klaffenden Wunde hervor. Bryce' Körper bäumte sich auf, als sich der gezackte
Splitter mit einem schmatzenden Geräusch aus seinem Fleisch löste.
Fleischfetzen und zerrissenes Gewebe klebten an dem rauen Holz, und Gemma
wandte erschaudernd den Blick ab. Blut strömte über ihre Hände, als sie
verzweifelt versuchte, mit einer Hand die Wundränder zusammenzupressen und mit
der anderen Bryce' Schlagader abzudrücken. Bryce' Bein zitterte so stark, dass
sie bei all dem Blut keinen Halt fand.
»Aderpresse«, stöhnte sie, als ihr Magen bei dem süß-metallischen
Blutgeruch rebellieren wollte. Mit geschickten Fingern schlang Butch ein Seil
um Bryce' Schenkel oberhalb der Wunde und zog es fest. Der Blutstrom ließ nach.
Noch immer warf Bryce sich unruhig hin und her. MaIlory und Johnson drückten
ihn fest aufs Lager zurück.
»Haltet ihn gut fest«, befahl Gemma, während sie begann, mit einer
Pinzette in Bryce' zerstörtem Fleisch nach Holzsplittern zu stochern. Immer
wieder bäumte Bryce sich vor Schmerzen auf, tobte und raste, wenn sie ihm mit
den metallenen Spitzen noch mehr Schmerzen bereitete, als er ohnehin verspürte,
oder die Wunde mit heißem Wasser ausspülte, wenn ihr das Blut die Sicht nahm
oder um kleinste Fremdkörper zu entfernen.
Nach einer schier endlosen Ewigkeit richtete
Gemma sich auf. Ihr Kleid klebte ihr vor Blut und Schweiß am Körper, aber sie
bemerkte es nicht einmal. Butch richtete einen besorgten Blick auf Gemmas
kalkweißes, angespanntes Gesicht, aber sie wusch sich die Hände und fädelte
einen rumgetränkten Faden in eine Nadel ein.
Mit ruhiger Hand presste sie dann die faserigen Wundränder
zusammen und begann, das zerfetzte Fleisch wieder zusammenzufügen.
Bryce zitterte unkontrolliert, den Kopf in den Nacken geworfen,
sein schweißgebadeter Körper vor unaussprechlichem Schmerz angespannt. Immer
wieder trieb Gemma die Nadel voran. Mehr als einmal rutschten ihre
blutverschmierten Finger ab, aber sie gab nicht auf. Schließlich hatte sie es
geschafft. Tief atmete sie durch und sah Butch an. Auch in seinen Zügen las
Gemma die Anspannung. Seine Hand glitt zur Aderpresse, um sie zu lösen, aber
Gemmas Finger stoppten ihn.
Schnell ergriff sie den Krug Rum und goss einen großen Schwall
über die Naht. Bryce schrie auf. Sein Körper zuckte hoch und wand sich vor
Pein. Für einen kurzen Augenblick richteten sich seine Augen brennend auf seine
Frau, bevor er in die Kissen zurücksank und still lag. Nur sein keuchender Atem
zeigte an, dass er noch lebte.
Mit klopfendem Herzen starrte Gemma ihn an. War er die ganze Zeit
über wach gewesen, oder war es nur ein Reflex gewesen, der ihn hatte die Augen
öffnen lassen? Sie wusste es nicht, und jetzt war nicht der Zeitpunkt, darüber
nachzudenken. Entschlossen wand sie einige Streifen Leinen fest um Bryce'
Oberschenkel. Dann nickte sie Butch zu, die Aderpresse zu lösen. Mit bangem
Herzen beobachtete sie, wie sich ein kleiner Blutfleck auf dem Weiß der Bandage
bildete, aber als dieser sich nicht weiter ausbreitete, atmete sie erleichtert
auf. Fürs Erste hatten sie es geschafft. Alles, was sie jetzt noch tun konnten,
war abwarten und beten, dass sich die Wunde nicht entzündete.
Mit Butchs Hilfe legte Gemma den Verband richtig an und wusch und
verband anschließend auch Bryce' Hände. Gemeinsam bezogen sie das Bett neu, bevor
sie Bryce entkleideten und ein Laken über ihn breiteten. Gemma errötete leicht
angesichts Bryce' nackten Körpers, ließ sich aber nichts
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