Gemma
vermittelte.
»Wie sieht es an Deck aus? Hat der Sturm irgendwelche Schäden
hinterlassen?«, fragte sie unvermittelt. Tabby nickte.
»Die Spitze vom Besanmast ist gebrochen. Der heruntergestürzte
Teil war es, der den Captain unter sich begraben hat. Aber das ist nichts, was
nicht repariert werden könnte.« Er machte eine Pause.
»Und es hat einen weiteren Toten gegeben.« Unbewusst straffte
Gemma die Schultern.
»Rawlins wurde ebenfalls über Bord gespült. Die Wachen haben
gesehen, wie die Flutwelle ihn erfasste und in sein nasses Grab riss. Sie
haben noch versucht, ihn zu retten, konnten ihn aber nicht finden.«
»Das habe ich ihm nicht gewünscht«, wisperte Gemma tonlos.
»Ich weiß, Kindchen. Ihr seid viel zu gut, um irgendjemandem
etwas Böses zu wünschen. Aber jetzt trinkt Euren Tee und dann legt Euch
schlafen. Der Captain wird Euch noch früh genug brauchen.«
Tabbys Worte sollten sich bewahrheiten. Obwohl Gemma Bryce' heiße Haut
unermüdlich mit kaltem Wasser badete, stieg sein Fieber unaufhörlich, bis Gemma
fürchtete, er würde unter ihren Händen verbrennen. Unruhig wälzte er sich auf
der schmalen Koje hin und her, versuchte aufzustehen, nur um entkräftet auf
sein Lager zurückzusinken, wenn Gemma ihn sanft niederdrückte. Nur einige Male
setzte er ihr stärkeren Widerstand entgegen, murmelte etwas in seiner Bewusstlosigkeit,
das sie nicht verstand. Etwas schien ihm Sorgen zu bereiten, und Gemma beugte
sich über ihn, um ihn zu beruhigen. Sein Kopf zuckte hoch und traf sie so hart
am Auge, dass Gemma Sterne sah. Ihre Wange pochte noch Stunden später, aber
sie gab nicht auf.
Als der Morgen sein erstes graues Licht in die Kajüte warf, war
Gemma zu Tode erschöpft. Beinahe automatisch tauchte sie den Lappen in kaltes
Wasser und strich damit über Bryce' Körper. Trotzdem fühlte seine Haut sich
heiß und trocken an.
Hin und wieder versuchte Gemma, Bryce einige
Tropfen Flüssigkeit zwischen die aufgesprungenen Lippen zu träufeln, aber das
meiste rann ihm aus den Mundwinkeln über das Kinn, sodass ihr nichts anderes
übrig blieb, als weiterhin seine Lippen mit Wasser zu benetzen.
Tabby betrat die Kajüte. Gemma hatte nicht
gehört, dass er geklopft hatte, aber es war ihr auch egal. Mit blutunterlaufenen
Augen betrachtete sie das Frühstück, das er ihr gebracht hatte, trank aber nur
ein wenig Tee, bevor sie mit ihrer Arbeit fortfuhr. Tabby bemerkte ihr
Veilchen, ohne sich dazu zu äußern.
Irgendwann im Laufe der Nacht hatte sie das Laken, das sie zunächst
über Bryce' Lenden gebreitet hatte, um seine Männlichkeit vor ihren Blicken
abzuschirmen, beiseite geschoben Wozu sollte sie sittsame Schamhaftigkeit
vortäuschen, wem sie als seine Frau mit seinem Körper so vertraut war wie mi
ihrem eigenen?
Bryce war es gewesen, der die Sinnlichkeit ihres Körper mit seinen
Händen und seiner Leidenschaft geweckt hatte Bryce war es gewesen, der sie
verführt und in die Geheimnisse der körperlichen Liebe eingeweiht hatte. Und
Bryce war e gewesen, dem sie schließlich die Unschuld ihres jungfräulichen
Körpers geschenkt hatte.
Sie dachte an die beinahe unzähligen Male, die
sie siel Bryce seit jener ersten Nacht hingegeben hatte. Hatte sie zu nächst
noch geglaubt, Bryce' Verlangen nach ihrem Körper würde nachlassen, wenn er
erst einmal seinen Hunger gestillt hatte, so hatte er sie bald eines Besseren
belehrt. Was auch immer seine Beweggründe dafür gewesen waren, ihrer Körper
Nacht für Nacht erneut zu begehren, fest stand, das: er ein äußerst sinnlicher
und leidenschaftlicher Liebhaber war.
Ihr Blick glitt hinab zum Verband an seinem Oberschenkel. Wie
entsetzlich nahe lag die Verletzung an Bryce' Männlichkeit. Würde sie irgendeinen
Einfluss auf seine körperlich€ Leidenschaft haben? Sie hoffte es nicht. Nicht
so sehr um ihretwillen, wenn sie auch ehrlich genug mit sich selbst war, uni
sich einzugestehen, dass sie das Gefühl von Bryce, wie er tief in ihr war,
vermissen würde, sondern besonders wegen Bryce. Sie war sich sicher, dass der
Verlust seines Beines ihm den Lebensmut genommen hätte, aber wie würde er erst
reagieren, wenn ihm der Verlust seiner Manneskraft drohte? Würde er ihr die
Schuld geben?
In Gedanken sah sie wieder den Blick, den er ihr während der
Operation zugeworfen hatte, und erschauderte. Würde er ihr glauben, wenn sie
ihm versicherte, dass sie nur das Beste für ihn gewollt hatte? Oder würde er
annehmen, sie hätte ihn mit Absicht verstümmelt? Unbewusst
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