Gemma
wollte
sie sich weigern, aber dann nickte sie knapp und rauschte an ihm vorbei nach
draußen. Leise schloss Godfroy die Tür hinter sich. In der Bibliothek konnte
man ihre erregten Stimmen hören, aber leider war kein Wort zu verstehen.
»Was zum Teufel soll das da drinnen werden?«, fragte Godfroy
aufgebracht. Zornesadern schwollen auf seiner Stirn und seine Hände öffneten
und schlossen sich unkontrolliert, als wollte er etwas mit ihnen zerquetschen.
»Ich dachte, wir hätten eine Abmachung, Ethel.«
»Abmachung? Dass ich nicht lache!«, fauchte Ethel Robbins hitzig.
»Ihr habt mich glauben lassen, diese ganze Pracht hier gehöre Euch, Sir
Ranleigh, aber wie ich nun zu meinem Entsetzen erfahren muss, seid Ihr weder
der Eigentümer noch der Erbe.«
»Aber das werde ich bald sein!«, versicherte
Godfroy.
»Ach wirklich?«, höhnte Ethel. »Der alte Lord macht auf mich aber
einen ganz munteren Eindruck, und sein Sohn erst. Teufel hin oder her, er ist
ganz sicher die bessere Partie für meine Nichte.«
»Die bessere Partie, dass ich nicht lache!« Aufgewühlt lief
Ranleigh vor der Tür auf und ab. »Glaubt Ihr etwa, dass Bryce Campbell Gemmas Erbe mit Euch teilt, Ethel? Glaubt
Ihr ernsthaft, dass Ihr auch nur einen Shilling von dem seht, das Ihr so heiß
begehrt? Glaubt Ihr das wirklich? Glaubt Ihr das?« Er hatte Ethel an den
Schultern gepackt und schüttelte sie, bevor er sie losließ und von sich stieß.
Verzweifelt fuhr Ranleigh sich mit den Händen durchs Haar. Dann sah er Ethel
an.
»Wenn Bryce Campbell Eure Nichte heiratet,
Ethel, wird er mit ihr nach Amerika gehen. Er ist nicht am Titel oder am Geld
seines Vaters interessiert. Früher oder später wird Richard Campbell mich zu
seinem Erben ernennen, dann habe ich die Position, deren Einfluss Euch die Tür
zur besseren Gesellschaft öffnet. Bis dahin benötige ich Gemmas Erbe, das ich,
wie wir es besprochen haben, mit Euch teilen werde.«
Ethel kniff die Augen zusammen. »Und wer sagt, dass ich Euch
trauen kann? Immerhin habt Ihr mich schon einmal belogen.«
»Ich habe Euch nicht belogen«, beteuerte Ranleigh der Verzweiflung
nahe. »Meine Darstellung war den Tatsachen nur etwas vorgegriffen. Ich werde
Kenmores Erbe sein.«
Kalt musterte Ethel ihn von oben bis unten, bevor sie ihre Hand
auf die Türklinke legte. »Ich denke, ich werde mein Geld auf Bryce Campbell
setzen.«
Damit verschwand sie wieder im Arbeitszimmer.
Die kurze
Zeremonie fand in den Gartenanlagen von Kenmore Manor statt. Das Wetter am
Morgen hatte sich überraschend warm und sonnig präsentiert, ganz anders als am
Tag zuvor und in der Nacht. Wärmende Sonnenstrahlen ließen das satte Grün der
Blätter glänzen.
Bryce hatte nach dem Priester aus dem Ort schicken lassen. Obwohl
Ranleigh vehement protestiert und sogar angedeutet hatte, dass er und Gemma so
gut wie verlobt waren, trieb Bryce die Vermählung mit eiserner Entschlossenheit
voran. Er wusste nicht so genau warum, aber der Gedanke, Gemma könnte nicht
seine Frau werden, war ihm unerträglich.
Auch sein Vater schien plötzlich von seiner Entscheidung, die
gesellschaftlich völlig unbedeutende Kaufmannstochter zu ehelichen, sehr
angetan zu sein. Natürlich, dachte Bryce, damit hat er ja einen Teil seiner
Forderung bereits erreicht: Bryce würde heiraten. Teil zwei würde sein, dass er
versuchen würde, Bryce auf englischem Boden zu halten.
Aber genau das würde ihm nicht gelingen.
Bryce würde einige Tage auf Kenmore verweilen und sich den Freuden des
Ehelebens mit seiner frischangetrauten Ehefrau hingeben, bevor sie zurück nach
London fuhren. Dort würde er das Beladen der Dragonfly, seines
Klippers, überwachen und dann mit Gemma nach Amerika reisen.
Bis der Priester eintraf und die nötigen Formalitäten erledigt
waren – eine Heiratserlaubnis hatte Richard Campbell vorsorglich im
Schreibtisch aufbewahrt –, waren zwei Stunden vergangen. Bryce hatte sich
umgezogen. Sein schlichter schwarzer Anzug mit dem weißen Rüschenhemd
unterstrich seine dunkle Ausstrahlung. Seine grauen Augen glühten, als seine
Braut durch die Verandatür in den Garten trat.
Auch Gemma hatte sich umgezogen. Sie trug ein
dunkelblaues, schulterfreies Kleid, das in seinem keuschen Stil eher für ein
noch jüngeres Mädchen gemacht zu sein schien. Wie bei dem Kleid zuvor, war das
Dekolleté zu knapp und Bryce fühlte, wie seine Kehle eng wurde. Vielleicht
waren das nicht die richtigen Gedanken für eine Hochzeit, aber im Moment konnte
er die
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