Gemma
an, die wütend genug aussahen, sie zwischen ihren vier großen
Pranken zu zermalmen. Nachdem sie genügend Zeit gehabt hatte, sich ihre
Vorgehensweise zu überlegen, würde sie sich aber nun ganz gewiss nicht einschüchtern
lassen.
»Ich denke, es ist nur gerechtfertigt, wenn Euer Sohn, nachdem er
seinen Spaß hatte, nun die Verantwortung für sein Handeln übernimmt«, stellte
Ethel ungerührt fest.
Gemmas Gesicht hatte bei den Worten ihrer Tante sämtliche Farbe
verloren. Ihr Blick flog zu Bryce, nur um gleich wieder auf den Boden zu
sinken, als sie sein wutverzerrtes Gesicht bemerkte.
»Frau, seid Ihr wahnsinnig?«, brüllte Bryce und knallte sein
Whiskyglas auf den Schreibtisch. Mit großen Schritten stürmte er auf Ethel zu,
die aber nicht zurückwich, sondern ihm die Stirn bot.
»Nein, nur um den guten Ruf meiner Nichte besorgt,
den Ihr so selbstsüchtig zerstört habt«, schoss Tante Ethel mit einem kurzen
Blick auf Gemma zurück. »Wer wird sie denn jetzt noch nehmen, wo Ihr sie
besudelt habt? Und was ist, wenn erst ihr Leib sich rundet, weil sie Euren
Bastard ...«
»Es ist überhaupt nichts passiert«, schnitt
ihr Bryce das Wort ab. »Glaubt Ihr denn, ich würde mich
nicht daran erinnern, wenn Eure Nichte und ich in der letzten Nacht heißen,
hemmungslosen Sex gehabt hätten?«, fragte Bryce ungehalten.
Gemma glaubte bei seinen Worten vor Scham zu
sterben. Flammende Röte überzog ihre Wangen, während sie sich wünschte, der
Erdboden würde sich auftun und sie verschlingen.
Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete Bryce
die Nichte des Drachen. Sie war die wirklich Leidtragende der ganzen unseligen
Angelegenheit. Egal, wie die Sache ausging, sie würde darunter zu leiden haben.
Wer würde schon glauben, dass sie die ganze Nacht in seinen Armen verbracht
hatte, ohne ihre Unschuld zu verlieren? Wenn er ehrlich war, würde er es auch
nicht glauben, wenn man ihm eine solche Geschichte auftischte. Dabei sah sie
aus wie ein Engel. Eine Schande, dass sie bei dieser Tante leben musste. Was
war mit ihren Eltern?
Als hätte Ethel seine Gedanken gelesen, fuhr sie mit ihrer Tirade
fort. »Das arme, arme Waisenkind. Mutter und Vater so früh verloren. Würde ihr
Vater hier an meiner Stelle stehen, würde er Euch mit Waffengewalt zwingen,
ihre Ehre wiederherzustellen.«
»Niemand außer den hier Anwesenden braucht
jemals etwas davon zu erfahren«, warf Bryce ein, seine Augen noch immer auf
Gemma gerichtet. Ihre vollen, roten Lippen waren so fest zusammengekniffen,
dass sie nur eine einzige dünne Linie zu bilden schienen. Ihre Wangen waren
bleich mit hektischen roten Flecken, aber ihre Augen waren erstaunlich klar
und trocken.
Eigentlich hatte Bryce Tränen erwartet. Immerhin war es das
beliebteste Druckmittel der Frauen, wann immer sie ihren Willen nicht
durchsetzen konnten. Diese junge Dame aber schien nicht zu derartigen Mitteln
zu greifen. Bryce spürte ein leichtes Gefühl der Hochachtung für die junge
Schönheit.
Und hübsch war sie, das musste man ihr lassen. Ihr blondes,
honigfarbenes Haar war lang und seidig, und auch wenn sie es jetzt zu einer
strengen Frisur aufgesteckt trug, so waren doch einige vorwitzige Strähnen dem
Knoten an ihrem Hinterkopf entkommen und umspielten ein feines Gesicht mit
ebenmäßigen Zügen. Wenn sie sie nicht gerade, wie eben jetzt, fest
zusammenpresste, waren ihre Lippen voll und rot, davon hatte er sich am Morgen
überzeugen können. Ihr Mund war etwas zu breit, aber genau das war es, was ihn
spekulieren ließ, wie es wohl sein mochte, diese Lippen zu küssen. Ihre Nase
war klein und keck mit winzigen Sommersprossen, die sich jetzt scharf gegen die
Blässe ihres Gesichtes abhoben.
Aber am beeindruckendsten waren ihre Augen. Diese wunderbaren
dunkelblauen Augen, die sie gerade in diesem Moment auf ihn richtete und in
denen er glaubte zu versinken. Was erwartete sie von ihm? Fühlte sie so wie
ihre Tante, dass er dazu verpflichtet war, sie zu heiraten, obwohl sie am
besten wissen musste, dass rein gar nichts zwischen ihnen geschehen war?
»... gar nicht geheim halten«, hörte Bryce die Stimme der Tante
wie aus weiter Ferne.
Wie mochte es wohl sein, mit einer solchen Tante unter einem Dach
zu leben? Auch wenn es ihm am Morgen aufgrund seines hämmernden Schädels nicht
allzu gut gegangen war, so erinnerte er sich doch daran, wie der Drachen diese
zarte Elfe geohrfeigt hatte. Gehörten Schläge bei ihr zum Alltag?, fragte Bryce
sich stirnrunzelnd.
»Madam«, mischte
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