Gemma
sich nun Lord Kenmore ein und schlug mit der
flachen Hand auf den Tisch. »Glaubt Ihr ernsthaft, mein Sohn würde so einen
Niemand wie Eure Nichte heiraten, egal ob er sie bereits im Bett hatte oder
nicht?«
Gemmas Gesicht wurde, falls überhaupt möglich,
noch bleicher, und sie zuckte unter Lord Kenmores schneidenden Worten
zusammen. Sie fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Unbewusst legte sie die Arme
um ihren Körper, als könne sie sich so vor weiteren verbalen Verletzungen
schützen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Sie wünschte sich weit fort
von hier, so weit fort wie nur irgend möglich. Sie wollte zurück nach Hause.
Nicht ins Haus ihrer Tante, sondern wirklich nach Hause – nach Devon.
Auch Bryce war überrascht von der Kaltblütigkeit seines Vaters.
Konnte dieser denn nicht sehen, wie sehr er das Mädchen mit seinen unbedachten
Worten verletzte? Die zierliche Gestalt schwankte leicht hin und her wie ein
Schilfrohr im Wind. Ihre Augen waren fest geschlossen, und sie hatte ihre Arme
um sich gelegt, als könne sie dadurch weitere Schläge von sich abwenden.
Bevor ihm überhaupt bewusst wurde, was er tat, war Bryce zu ihr
getreten und hatte sie in seine Arme gezogen. Sie zitterte und versuchte ihn
von sich zu stoßen, aber Bryce begann beruhigend, ihr über den Rücken zu
streicheln. Sie fühlte sich gut an unter seinen Händen, schlank, beinahe
zerbrechlich, und dennoch verspürte er in ihr eine Kraft, eine Stärke, deren
Ausmaß er nicht einmal erahnen konnte. Ihre vollen Brüste pressten sich an seinen
Oberkörper und Bryce bemerkte, wie seine Männlichkeit sich regte.
Verdammt!
Er sah hinab auf sie, sah das weiße Fleisch ihrer Brüste, das bei
dem engen Kontakt mit seiner Brust aus dem zu knappen Dekolleté zu quellen
schien. Sein Herzschlag beschleunigte sich, und er fühlte, wie seine
Handflächen feucht wurden.
Verdammt! Er wollte sie.
»Ich werde Eure Nichte heiraten«, hörte Bryce sich selbst sagen.
Er wusste nicht, wer von seiner Entscheidung überraschter war, er selbst oder
das Mädchen in seinen Armen, das seine erstaunlich blauen Augen auf ihn
richtete.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!«, donnerte Lord Kenmore,
während Ethel erfreut quietschte.
Von allen Anwesenden unbemerkt hatte Godfroy Ranleigh das
Arbeitszimmer betreten. Seine Augen zogen sich zu hasserfüllten Schlitzen
zusammen, als er Gemma in Bryce' Armen entdeckte. Also stimmte es doch. Es war
nicht nur Zufall gewesen, dass man Gemma in Bryce' Bett entdeckt hatte. Zwischen
den beiden lief also tatsächlich etwas.
»Bryce, Junge, wenn du das hier nur tust, um mich zu ärgern ...«
Drohend hatte Richard Campbell sich erhoben und kam um den Schreibtisch herum.
»Nein«, antwortete Bryce ruhig. Er ließ Gemma nicht aus den Augen.
»Ich will dich nicht ärgern, Vater. Ich möchte, dass dieses Mädchen meine Frau
wird.«
Gemma glaubte, sie sei in einem schlechten
Traum gefangen. Um sich herum hörte sie das triumphierende Kichern ihrer
Tante, das missbilligende Klopfen von Richard Campbells Hand auf der
Schreibtischplatte und das Atmen des Mannes, der direkt vor ihr stand. Seine
Hände strichen noch immer über ihren Rücken, als wollten sie ihr die Angst vor
ihm nehmen. Hatte sie Angst?
Gemma wusste es nicht. Das Einzige, das sie
wusste, war, dass hier über ihr Leben bestimmt wurde. Nicht nur über die nächsten
Jahre, sondern über den Rest ihres Lebens! Sie sollte einen Mann heiraten, den
sie nicht liebte, ja den sie nicht einmal kannte, und der fortan das Recht
haben würde, über sie wie über seinen Besitz zu bestimmen. All ihre Hoffnung
und all ihr Träume, jemals ein unabhängiges, selbstständiges Leben führen zu
können, wurden hier in diesem Moment zunichte gemacht.
Aber das würde sie nicht zulassen!
Gemma straffte die Schultern und trat einen
Schritt zurück, um sich aus der unmittelbaren Reichweite dieses Mannes zu
bringen, dessen Nähe es ihr beinahe unmöglich machte, klar zu denken.
Trotzig hob sie ihr Kinn und sah in die Runde.
»Ich will ihn nicht heiraten«, sagte sie mit klarer, fester
Stimme.
Das plötzliche Schweigen, das ihren Worten folgte, war mit Händen
greifbar.
»Sie hat Recht«, zerriss Godfroys Stimme die bedrückende Stille.
»Wir sollten hier nichts überstürzen. Ein derart endgültiger Schritt sollte
gut überdacht werden.« Er wandte sich an Gemmas Tante. »Ethel, kann ich Euch
bitte einen Moment sprechen? Draußen.«
Für einen Augenblick sah Ethel aus, als
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