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Gemma

Gemma

Titel: Gemma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Last
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ließ.
    Bryce!, schrien
ihre Gedanken. Bryce, oh bitte, hilf mir!
    Warum nur tat er nichts? Noch immer starrte er sie über Godfroys
Schulter hinweg an, bevor er einen Arm ausstreckte, Godfroy an der Schulter packte und ihn herumwirbelte.
Der Schwung ließ Godfroy taumeln und zu Boden stürzen. Grinsend blieb er auf
dem Boden sitzen und wischte sich mit dem Handrücken den Speichel vom Kinn.
    Schweigend sahen sich die Männer an, während Gemma zitternd an der
Wand lehnte. Mit bebenden Händen versuchte sie, die zerrissenen Hälften ihres
Ausschnitts über ihrer Brust zusammenzuhalten. Tränen brannten in ihren Augen
und sie biss sich auf die Unterlippe, um sie zurückzuhalten, bis sie Blut
schmeckte.
    Bryce stand, die Fäuste an den Seiten geballt, über Godfroy. Sein
Atem ging in harten, schnellen Zügen, aber er bewegte sich nicht.
    Kopfschüttelnd zog Godfroy seine Beine näher an seinen Körper und
stützte einen Arm lässig auf sein Knie. Sein Blick war stetig, als er Bryce
fixierte.
    »Weißt du jetzt, warum ich so gegen diese Heirat war, Cousin?«,
fragte er ruhig. Er nickte mit dem Kinn in Gemmas Richtung. »Ich habe versucht,
dich zu warnen, aber du wolltest ja nicht auf meinen gut gemeinten Rat hören.«
    Verächtlich ließ er den Blick über Gemma
gleiten, die bei seinen Worten fassungslos den Kopf gehoben hatte. Sie glaubte
in einen Abgrund zu stürzen, als sie Bryce' Gesichtsausdruck sah.
    »Aber er lügt«, stammelte sie verzweifelt. »Bitte, Bryce, Ihr
müsst mir glauben ...« Flehend streckte sie ihm die Arme entgegen. Die mühsam
zusammengehaltenen Stofffetzen klafften auf und gaben den Blick auf ihre
cremigen, jetzt von Godfroys Angriff geröteten Brüste frei.
    Kalt und abschätzend glitt Bryce' Blick über
sie. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich den Rest meines Aufenthaltes in
London verbringe«, sagte er mit tonloser, beängstigend ruhiger Stimme. »Auch
dort gibt es Huren, die aber wenigstens ehrlich sind, was ihre Arbeit
betrifft.« Gemma war bei jedem seiner Worte zusammengezuckt. Ihr
hoffnungsvoller Ausdruck erstarb.
    Bryce wandte sich um und verließ mit langen Schritten die
Bibliothek.
    »Bryce«, wisperte Gemma. Ihre Arme sanken an ihren Seiten herab.
»Bryce ...«
    Ein Gefühl tiefer, schmerzhafter Leere breitete sich in Gemma aus,
als sie ihren Blick auf seinen davoneilenden Rücken gerichtet hielt. Warum nur
hatte er ihr nicht geglaubt? Was hätte sie denn sagen sollen?
    »Sieht so aus«, drang Godfroys Stimme in ihre Gedanken, »als hätte
das junge Glück ein jähes Ende gefunden.« Er hatte sich aufgerappelt und kam
mit einem lüsternen Grinsen auf sie zu. »Aber ich denke, ich werde Euren Gemahl
in Eurer Hochzeitsnacht gebührend vertreten.«
    Mit einem unterdrückten Aufschrei raffte Gemma ihr Kleid zusammen
und floh aus der Bibliothek, verfolgt von Godfroy Ranleighs höhnischem
Gelächter.

Kapitel 6

    Brad?« Zögernd öffnete Gemma die Stalltür einen Spaltbreit und sah
hinein. Tiefste Finsternis empfing sie. Nirgendwo brannte eine Lampe, wie sie
eigentlich gehofft hatte.
    »Brad?«, flüsterte sie etwas lauter.
    Noch immer keine Antwort. Nach einem kurzen Blick zurück auf den
Hof huschte Gemma durch die Tür und zog sie hinter sich zu.
    Zu Gemmas Freude war die Nacht sternklar gewesen
und so hell, dass sie auf eine Laterne hatte verzichten können. Ein tanzender
Lichtfleck mitten in der Nacht hätte nur unnötig Aufmerksamkeit erregt. Aber
ohne das kalte Licht des Mondes und der Sterne war die Finsternis im Inneren
der Stallungen absolut. Irgendwo im Dunkeln schnaubte ein Pferd, seufzte und
verlagerte sein Gewicht zum Schlafen auf einen anderen Huf.
    Gemma zögerte einen Moment, dann atmete sie
einmal tief durch. Der warme, beruhigende Geruch von Pferden lag in der Luft,
von Heu, Stroh und Lederfett. Im Haus ihrer Tante hatte sie sich immer gern im
Stall aufgehalten, zusammen mit Brad, warum also fühlte sie sich hier wie ein
Eindringling?
    Vorsichtig, die Arme ausgestreckt, tastete Gemma sich vorwärts.
Es war so finster, dass sie die Hand nicht vor Augen sehen konnte. Warum war
sie nicht schon einmal bei Tageslicht in den Stall gegangen, damit sie wusste,
wie es im Innern aussah? Aber woher hatte sie auch wissen sollen, dass es so
dunkel sein würde?
    »Brad?« Langsam schwang Panik in ihrer Stimme mit, aber Gemma
traute sich nicht, Brads Namen lauter zu rufen. Was war, wenn sich noch andere
Knechte im Stall befanden? Und irgendwo hier musste ihr Freund doch sein.

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