Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemma

Gemma

Titel: Gemma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Last
Vom Netzwerk:
mitschwang.
    Diesmal war es Gemma, die verlegen mit dem Fuß im Stroh scharrte,
bevor sie ihn ansah.
    »Ich brauche deine Hilfe.«
    »Meine Hilfe?«, wiederholte er überrascht. »Klar, was auch immer
Ihr braucht, Ihr kriegt es.«
    »Ich muss hier fort.«
    »Kein Problem, ich sattle Euch ein Pferd.« Er
wandte sich bereits zur Sattelkammer um, als Gemmas Stimme ihn stoppte.
    »Nein, Brad, ich meine fort.«
    »Wohin?«, fragte Brad verblüfft, seine Verwirrung war klar und
deutlich auf seinem jungen Gesicht abzulesen.
    »Ich weiß es noch nicht. Vielleicht London. Wohin auch immer.«
    »London? Jetzt? Mit wem?«
    »Allein.«
    »Allein?«, wiederholte
er mit schriller Stimme.
    »Sprich leise, um Gottes willen«, flehte Gemma und presste
beinahe ihre Hand auf seine Lippen.
    »Allein?«, fragte er noch einmal, diesmal in mühsam beherrschtem
Flüstern. »Seid Ihr verrückt geworden? Ihr könnt nicht allein nach London
fahren. Ihr seid eine Lady!«
    »Deshalb brauche ich ja deine Hilfe.«
    »Ich kann Euch nicht helfen, nach London zu fahren. Verdammt, die
Herrin wird mir die Haut abziehen, wenn ich Euch allein nach London bringe.«
    »Ich will doch gar nicht, dass du mich hinbringst. Alles, was ich
brauche ...« Gemma zögerte. Brads gespannter Blick klebte an ihrem Gesicht, als
hoffte er immer noch, sie würde jeden Moment anfangen zu lachen und ihm sagen,
dass alles nur ein Scherz war.
    »Alles, was ich brauche, sind ein paar
Sachen, um mich als Mann zu verkleiden«, antwortete Gemma schließlich seufzend.
    Brad wusste nicht, ob er lachen oder weinen
sollte.
    »Miss Gemma, niemand mit Augen im Kopf würde Euch für einen Mann
halten. Ihr seid viel zu klein – Ihr seid zu schlank ... und Euer Haar, das ist
...« Er verharrte mitten im Satz, als Gemma die Kapuze ihres Umhangs
zurückschlug. Brad keuchte vor Schreck auf und streckte eine Hand aus, um
Gemmas verstümmelte Haarpracht zu berühren, bevor er die Hand zurückzog.
    »Aber warum?«, fragte er leise, als ihm klar wurde, dass Gemma
keinen Spaß machte, sondern dass es ihr bitterer Ernst war. Sie war
entschlossen, Kenmore Manor als Mann verkleidet zu verlassen. Ihre langen
blonden Haare waren bis auf Schulterlänge abgeschnitten. Gemma konnte sie zwar
noch immer mit einem Band zusammenbinden, aber auf die Entfernung konnte der
Mopp blonder Haare, der jetzt sehr viel lockiger war, durchaus als Frisur eines
Mannes durchgehen. Glücklicherweise diktierte die Mode zurzeit keinen kurzen
Haarschnitt, sodass sich Gemma nicht gezwungen gesehen hatte, es komplett
abzuschneiden.
    Gemma versuchte nicht an das schreckliche Gefühl zu denken, als
die Schere sich knirschend in die langen Strähnen gefressen hatte oder an das
metallene Geräusch bei jedem Schnitt. Sie hatte die langen, blonden Locken, die
rund um sie herum zu Boden gefallen waren, als hätten sie ein Eigenleben,
verbrannt. Ihr Kopf fühlte sich jetzt viel leichter an, so ungewohnt. Sie
konnte den Kopf viel freier bewegen, ohne dass ihr Haar über ihren Rücken
strich, aber zugleich vermisste sie den beruhigenden Druck auf ihrem Körper.
    Für einen Augenblick starrten Gemma und Brad sich an. »Es ist Euch
ernst, nicht wahr?«
    Gemma nickte nur, aus Angst, dass ihre Stimme unter den Tränen,
die in ihrer Kehle aufstiegen, brechen würde.
    Brad zog die Stirn kraus, als er Gemma genau betrachtete. Wie es
ihr jemals gelingen sollte, sich als Mann auszugeben, war ihm schleierhaft. Wie
auch immer er versuchte, es sich vorzustellen, Gemma hatte ganz einfach nicht
die körperlichen Voraussetzungen, um als Mann durchzugehen. Dafür aber einige
andere, die es ihm sehr schwer machten, sie nur als Freundin zu sehen. Nach
beinahe endlosen Minuten strahlte er plötzlich, als ihm eine Idee kam.
    »Wir verkleiden Euch als Jungen, nicht als
Mann. Dann würde sich niemand wundern, dass Ihr so klein und zierlich seid.
Verdammt, das kann tatsächlich klappen ...« Er verstummte.
    »Nein, das ist eine blöde Idee. Als Kind könnt
Ihr Euch nicht selbst versorgen, und wie wollt Ihr auf der Straße überleben?«
    Gemma hingegen war von der Idee begeistert und weigerte sich, auf
seine warnenden Worte zu hören.
    »Ich kann es schaffen! Ich will sowieso nicht in London bleiben.
Ich gehe nach Amerika.«
    »Amerika? Aber wie?«, fragte Brad verblüfft.
    »Mit einem Schiff.«
    Brad versuchte zu widersprechen, aber Gemma
stoppte ihn.
    »Bevor du irgendetwas sagst, hör mir zu, ja?
Mein Vater war Kapitän auf einem Schiff, also bin ich damit

Weitere Kostenlose Bücher