Gemma
New Orleans erreichten. Er sah sie
lange schweigend an. Weder stimmte er ihren Worten zu, noch widersprach er ihr.
Dann wandte er sich wieder den Karten zu.
Gemma fühlte die schweigende Zustimmung zu ihrer Trennung
wie einen körperlichen Schlag. Irgendwie hatte sie gehofft, er würde ihr widersprechen
und vorschlagen, dass sie zusammenblieben und
zumindest versuchen sollten, ihrer Ehe eine Chance zu geben. Aber sie hatte
sich getäuscht. Er wollte sie nicht, und sie hatte nicht erwartet, dass diese
Erkenntnis so weh tun würde.
Jedes Mal, wenn sie ihn sah, schlug ihr Herz Purzelbäume. Es kam
ihr vor, als würde er jeden Raum mit seiner Anwesenheit erhellen, und jedes Mal, wenn er ging, schien er alle Freude und
alles Licht mitzunehmen. Warum nur fühlte sie so? Warum fühlte sie sich, als
würde ein Teil von ihr fehlen, wenn er nicht bei ihr war? Wieso nur hatte er
allein die Macht, ihr Herz mit Freude zu erfüllen oder sie so tief zu verletzen,
obwohl er sie bisher mit nichts als Gleichgültigkeit behandelt hatte und ihr
gegenüber manchmal sogar regelrecht herzlos war?
Oh, mein Gott, dachte Gemma verzweifelt, ich verliebe mich in ihn.
Das war es. Es war mehr, als sich nur an ihn zu gewöhnen – sie war dabei, sich
in Bryce Campbell zu verlieben! Aber warum? Wie konnte sie sich in einen Mann
verlieben, der ihre Gefühle nicht erwiderte? Und der ganz gewiss ihr Herz
brechen würde, wenn er sie achtlos verließ, sobald sie ihr Ziel erreicht
hatten.
Erneut fühlte Gemma Tränen in sich aufsteigen. Oh Gott, sie durfte
ihn nicht sehen lassen, dass sie seinetwegen weinte. Niemals! Sie würde seinetwegen
niemals weinen.
Langsam entkleidete sie sich und streckte sich auf dem schmalen
Bett aus. Noch immer spürte sie den flammenden Abdruck, den seine Hand auf
ihrer Brust hinterlassen hatte. Auch ihre Nippel schienen die Liebkosungen
seiner Finger nicht vergessen zu haben und sehnten sich nach seiner Berührung.
Gemma biss die Zähne zusammen. Sie würde ihm keinen derartigen Einfluss auf
ihre Gefühle erlauben. Es war schon schlimm genug, dass er ihr Herz gestohlen
hatte, sie würde den Rest von sich nicht auch noch aufgeben. Immerhin war ihr
Körper das Einzige, das er von ihr gewollt hatte – ihr Herz hatte er
zurückgewiesen und in den Staub getreten.
Flammende Schamesröte überzog ihre Wangen, als sie daran dachte,
wie dreist er sie durch den Stoff ihres Kleides hindurch berührt hatte. Warum hatte er das getan? Warum hatte er sie
dort berühren wollen? Er hatte doch wissen müssen, wie peinlich ihr das sein
würde. Oder war es seine Absicht gewesen, sie zu erniedrigen?
Gemma hielt ihren Kopf abgewandt, als Bryce sich fertig machte,
ins Bett zu gehen. Sie stellte sich vor, wie er sich auszog und seinen langen Körper dann langsam in der Hängematte
ausstreckte. Sie hörte seinen Atem in der Dunkelheit, langsam und gleichmäßig.
Gemma vergrub ihr Gesicht in den Kissen, um ihr Schluchzen zu
unterdrücken. Sie hasste sich selbst dafür, aber konnte nichts dagegen tun. Die
Tränen brannten in ihren Augen, bevor sie das Kissen benetzten.
Gemma erinnerte sich daran, wie ihr Vater einmal gesagt hatte,
Tränen würden die Seele reinigen. Er hatte sich geirrt. Alles, was die Tränen
bewirkten, war, dass ihre Augen schmerzten und ihre Nase verstopfte, aber sie
trugen nicht dazu bei, den Schmerz in ihrem Innern zu mindern.
Bryce biss die Zähne zusammen, als er Gemma weinen hörte. Sie
versuchte sehr, es ihn nicht merken zu lassen, aber damit konnte sie ihn nicht täuschen. Hoffte sie, ihn mit Tränen
umstimmen zu können? Verdammt! Er verabscheute Frauen, die es auf die Tour versuchten.
Irgendwie hatte er geglaubt, Gemma sei aus anderem Holz geschnitzt, aber anscheinend
hatte er sich geirrt. Er hatte sich schon öfter geirrt, was sie betraf.
Er drehte sich um, um zu schlafen, aber Gemmas stilles Weinen
hielt ihn sehr lange wach.
Kapitel 14
In den nächsten drei Tagen kam die Dragonfly gut voran. Der
Wind blies beständig aus östlicher Richtung und ließ sie ihrem Ziel
entgegenfliegen.
Vielleicht haben die Elemente ja Mitleid mit mir, dachte Bryce mit
einem grimmigen Lächeln. Fast schien es, als würde eine unbekannte Kraft dafür
sorgen, dass er so schnell wie möglich nach Hause zurückkehrte – und endlich
die Qual beenden konnte, die Gemmas Anwesenheit für ihn bedeutete.
Die Stimmung zwischen ihnen war ausgesprochen
unfreundlich, um nicht zu sagen feindselig. Keiner von ihnen hatte
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