Gemma
darüber
gesprochen, was vorgefallen war, auch wenn keiner von ihnen es vergessen
konnte.
Zur Hölle, dachte Bryce, wie soll ich es denn vergessen, wenn
alles, was ich brauche, um mich daran zu erinnern, dort in meiner Kajüte auf
mich wartet?
Er saß in der Messe mit den anderen
Mannschaftsmitgliedern, die sich dort zum Trinken eingefunden hatten. Es war
Samstag und es war Brauch an Bord der Dragonfly, dass jeder der Männer
am Samstag zwei Becher Rum erhielt. Zwar war es auf anderen Schiffen durchaus
üblich, dass sie jeden Abend einen Becher erhielten, aber nicht auf seinem
Schiff. Jeder Mann, der anheuerte, wurde über diese Regelung informiert. Falls ihm
das nicht gefiel, war die Dragonfly ganz offensichtlich nicht das
richtige Schiff für ihn.
Seeleute waren als gestandene Trinker bekannt, die alles soffen,
was auch nur im Entferntesten alkoholisch war, aber Bryce war es lieber, wenn
sie einen klaren Kopf behielten. Zwei Becher Rum am Samstag für alle
diejenigen, die nicht auf Wache waren, das war alles.
Normalerweise leistete er der Crew Gesellschaft, um sich in
ungezwungenem Kreise neue Ideen oder auch Beschwerden anzuhören, heute allerdings hatte er es nur getan, weil er gehofft
hatte, die unflätigen Witze und das haarsträubende Seemannsgarn würden ihn für
eine Weile ablenken. Sein Becher war leer,
und er füllte ihn nach. Für gewöhnlich hatte er nicht allzu viel übrig
für den schwarzen Rum, der an die Mannschaft ausgeschenkt wurde, aber heute
hieß er den scharfen Schnaps mehr als willkommen, der feurig die Kehle
hinabbrannte, und dann sofort damit zu beginnen schien, an den Eingeweiden zu
fressen.
Jemand brüllte über einen besonders schmutzigen Witz, und die
anderen fielen in das Lachen mit ein. Das Seemannsgarn wurde immer fantastischer und die Witze immer rüder. Bryce
schmunzelte über eine der Geschichten, aber seine Gedanken waren nicht richtig
bei der Sache. Verdammt, was musste er denn noch tun, um seinen Frieden
wiederzufinden?
»Wenn ich 'ne gutausseh'nde Lady bereit hätte, wie der Captain,
wüsst' ich schon, was ich machen täte«, hörte Bryce jemanden murmeln. Sein Kopf zuckte hoch, und
er sah Rawlins in seinen Zinnbecher stieren. Die Gespräche um sie herum
hatten nicht aufgehört, also hatte anscheinend kein anderer etwas gehört. Die
Worte waren nur für ihn bestimmt gewesen.
»Was hast du gesagt, Rawlins?«, fragte Bryce scharf.
Rawlins zuckte zusammen und ließ die Schultern hängen, als wolle
er in sich zusammenkriechen. »Nichts, Capt'n«, murmelte er. »Ich hab nichts
gesagt.«
»Dann hör auf, dir etwas in den Bart zu
murmeln, Rawlins. Jemand mag das für Worte halten und sich beleidigt fühlen.«
Rawlins warf Bryce einen hasserfüllten Blick
unter halbgesenkten Lidern hervor zu. Eines Tages würde er diesen aufgeblasenen,
arroganten Bastard erwischen, und dann würde er es ihm heimzahlen. Es kostete
ihn beinahe mehr Selbstbeherrschung, als er sich selbst zugetraut hatte, um
nicht aufzuspringen und diesem Hurensohn das Herz herauszureißen. Aber eines
Tages ... Er senkte seine Lider wieder über seine Augen und starrte auf den
Becher in seinen Pranken. Es wäre nicht gut, wenn der gute Captain misstrauisch
würde. Ein weiterer kurzer Blick versicherte ihm, dass er sich keine Sorgen zu
machen brauchte. Campbell war aufgestanden und schritt die Stufen hinauf auf
Deck. Einen Augenblick später war er verschwunden und die Luke geschlossen.
Rawlins' Augen glühten, als er noch lange, nachdem Bryce Campbell gegangen
war, die Luke anstarrte. »Weiber an Bord bring'n Unglück, Capt'n Campbell.
Weiber an Bord bring'n Unglück.« Die leise gezischten Worte gingen im
allgemeinen Gemurmel unter. Rawlins grinste zufrieden. Dieser aufgeblasene
Dummkopf Campbell zog noch nicht einmal die Möglichkeit in Betracht, dass
jemand ihn fertig machen konnte.
Bryce ging hinüber zur Reling und stützte die Hände auf das glatte
Holz. Tabby gesellte sich zu ihm.
»Tabby, ich möchte, dass du Rawlins im Auge
behältst«, wies Bryce seinen Diener an. »Irgendwie traue ich ihm nicht. Er
bedeutet Ärger und ich bin mir sicher, er hat irgendetwas vor.«
Tabby nickte zustimmend. Auch wenn der Captain ihn nicht darum
gebeten hätte, die Augen aufzuhalten – seit Rawlins die Frau des Captains
angegriffen hatte, hatte Tabby ihn unter Beobachtung.
»Verdammt«, fluchte Bryce leise. »Das ist alles ihre Schuld. Ohne
sie müsste ich nicht ständig fürchten, die Mannschaft könnte meutern.« Er
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