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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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treffen können, Rampen für den Rollstuhl und …«
    »Das hier war er.« Sie präsentierte ihm das Foto. »Kapitän zur See Erwin Kneese.«
    »Kneese?«, fragte Viktor.
    »Bulhaupt war mein dritter Mann.« Sie überging sein Erstaunen. »Das hier sind wir am Regattatag in Bremen. Sehen Sie den Fuchspelz, den ich damals hatte?«
    »Aber Kneese war der Vater des Toten?« Viktor versuchte noch, sich ein klares Bild vom Stammbaum der Familie Bulhaupt zu machen.
    »Bulhaupt hat ihn adoptiert, weil er keine eigenen Kinder hatte.« Sie wirkte ungeduldig. »Erwin war ja nun auch verschollen.« Gerührt betrachtete sie noch immer das Bild ihres geliebten Seemannes.
    »Wollten Sie keine weiteren Kinder mehr?«
    Sie hob den Kopf. »Drei sind ja nun wohl genug, junger Mann«, sagte sie streng. »Außerdem wollte ich doch kein Kind von einem Mann, der Halbrumäne war.«
    »Aber geheiratet haben Sie ihn doch.«
    »Wegen seinem Geld, was, Mutter?« Ein Mann war eingetreten. Er küsste die alte Dame flüchtig auf die Wange und reichte Viktor dann die Hand. »Thomas Mertens«, sagte er, »einer der drei.« Als er Viktors Gesicht sah, fügte er hinzu: »Da wäre dann noch unsere Schwester.«
    Viktor blätterte in seinen Unterlagen. »Es tut mir leid, wir haben darüber noch gar keine Informationen. Selbstverständlich werden Sie zur Beerdigung eingeladen, sobald …« Er verstummte und schaute den Neuankömmling an.
    Der lächelte bitter. »Hat bislang niemand unsere Existenz erwähnt, was?« Er legte ein Paket auf den Nachttisch. »Die Tagescreme, die du wolltest. Ute sagt, das Aufbaumittel hat sie bestellt.« Er wandte sich an Viktor. »Ich bin ja auch nur der Paketbote für die täglichen Bedürfnisse. Kein Grund, sich um uns zu kümmern.«
    »Dein Vater hat jedenfalls nie einen Cent Unterhalt gezahlt«, stellte die Alte fest.
    »Doch, er hat, Mutter. Du hast uns diese Tatsache nur ebenso unterschlagen wie seine Briefe.« Er ging zum Fenster und schaute hinaus. »Wann wirst du es endlich aufgeben, ihn schlechtzumachen?«
    »Er hat mich mit drei Kindern einfach sitzen lassen.«
    »Nachdem du ihn beschimpft und betrogen hattest. Müssen wir das immer wieder durchkauen, Mutter?« Thomas Mertens wandte sich an Viktor. »Ich arbeite heute bei meinem Vater in der Praxis. Ich gebe Ihnen die Adresse.«
    »Sie sind Arzt?«
    »Tierarzt. Meine Schwester ist Apothekerin. Wir sind alle eng zusammengerückt. Tja.« Er reichte Viktor seine Karte.
    »Möchten Sie Einsicht nehmen in die Anzeigenentwürfe und die Planung der Zeremonie?«, fragte Viktor. »Oder vielleicht möchten Sie am Grab ein paar Worte sprechen?«
    Mertens schüttelte den Kopf. »Das sollen die mal alleine machen.«
    »Jetzt, wo Rainer tot ist, kannst du das Haus haben. Und das Chalet auch.« Die Stimme der Alten buhlte um Aufmerksamkeit. Laut und schrill fuhr sie in das Gespräch der beiden Männer.
    Thomas Mertens wandte sich ihr zu. »Das Haus kannst du behalten, Mutter. Oder besser, gib es der Witwe. Als Schmerzensgeld. Immerhin erträgt sie dich seit Jahren.«
    »Und Ute kriegt den Schmuck, was sie will. Sie muss nur kommen und ihn sich aussuchen. Und für meinen lieben Enkel Max werde ich ein Sparkonto anlegen.«
    »Du weißt genau, dass Ute keinen Fuß über deine Schwelle setzen wird, Mutter. Und mein Sohn schon gar nicht.«
    »So gehen sie mit mir um.« In Frau Bulhaupts Augen traten Tränen. »Ich sterbe, und sie wollen nicht mit mir reden.«
    »Mutter.« Er trat ans Fenster. »Du weißt so gut wie ich, dass eine Menge passiert ist.« Er klang verbissen.
    »Hast du auch an die Schallplatte gedacht?«
    Wortlos zog er sie aus der Tasche. Sie umklammerte das Cover mit ihren dürren Fingern. »Hoffmanns Erzählungen. Du weißt, wie sehr ich diese Oper liebe. Erinnerst du dich, wie wir sie früher gehört haben?«
    »Ja«, bestätigte er. »Allerdings.« Mit einem Seufzer ging er zu einem alten Plattenspieler und legte die Scheibe auf. Die Musik erklang und erfüllte das Krankenzimmer. Die Alte lag da, mit geschlossenen Augen. Mertens blieb mit verschränkten Armen und verbissenem Gesicht in der Ecke stehen. Viktor nickte ihm zu, klappte seinen Ordner zusammen und ging. Im Flur strich er beim Hinuntersteigen über die Schiene des Treppenlifts. Sie war staubfrei und frisch geölt.

26
    Unten suchte er nach Dorota, fand sie aber nicht. Für einen kurzen Moment blieb er in dem nun verwaisten Arbeitszimmer stehen. Der Blick in den Garten war nach wie vor atemberaubend, selbst

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