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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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langweilen mich zu Tode.«
    Viktor lachte auf. »Klare Antwort, Cousin.« An seine Tante gewandt, fügte er hinzu: »Wenn wir alle aussprechen würden, was uns langweilt, könnte sich vermutlich keiner mehr auf die Straße trauen.« Er ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Was machst du da?«
    »Ich schaue mir Tobias’ Album an. Es ist immer wieder eine Überraschung, was er so alles sammelt.«
    Viktor riskierte einen Blick über ihre Schulter. Zunächst fiel ihm ein Porträt von George Clooney ins Auge, bei dem das Kinn fehlte, eine halbe Angelina Jolie und ein Bild von Lady Gaga. »Da sah Liz Taylor aber noch jung und knusprig aus«, meinte er und wies auf ein anderes Bild.
    Verwundert hob seine Tante den Kopf. »Das ist deine Mutter«, sagte sie. »Der Fotograf hat das gemacht, als sie ihn wegen der Hochzeitsaufnahmen engagieren wollte.«
    Ungläubig zog Viktor das Album zu sich heran und betrachtete die Seite. »Meine Scheiße«, flüsterte er.
    »Böses Wort«, kommentierte Tobias und blätterte sich im Eiltempo durch Europas Schmetterlingsarten.
    »Ich hatte ganz vergessen, wie hübsch sie war.«
    »Du hast eine Menge vergessen«, meinte seine Tante sanft und blätterte um. »Das bist du mit deiner Cousine. Ihr hattet gerade ein Baumhaus gebaut, und ich hab euch Kakao gebracht.« Viktor starrte auf das schon etwas verblasste Foto. Er erinnerte sich an den Tag. »Wir wollten unbedingt dort oben übernachten«, murmelte er.
    Hedwig lachte. »Als es dunkel wurde, hattet ihr auf einmal keine Lust mehr.«
    Viktor nickte. »Es gab Käuzchen in den Fichten. Wir konnten sie hören.« Er hörte sie noch immer. »Und die Glühwürmchen flogen.«
    Hedwig blätterte weiter. »Das ist Hannah mit unserem Hausigel. Weißt du noch, wie er immer geschmatzt hat, wenn wir ihn mit Ei gefüttert haben?«
    »Wie alt war sie da wohl?«, überlegte Viktor. »Zwei? Drei?«
    Hedwig neigte den Kopf, um besser sehen zu können. »Drei, würde ich schätzen. Hier hinten sieht man, dass deine Mutter einen ganz schönen Bauch hat. Das warst du.«
    »Ja.« Viktor riss sich von dem Anblick los und räusperte sich. »Ist das Melanie?«
    Seine Tante bog den Hals noch ein wenig weiter. »Nein«, sagte sie verwundert. Sie griff nach dem Heft und zog es ganz zu sich heran. Dort stand ein kleines Mädchen, die Augen zusammengekniffen wegen der Sonne, die Haare zu Zöpfen geflochten, die Knie schmutzig. »Das ist niemand aus unserer Familie. Oder? Vielleicht eine von den Hellers? Damals am Ossiacher See? Was steht denn da? Meine Augen sind nicht mehr so gut.«
    Jetzt erst bemerkte Viktor das Ortsschild hinter dem Kind. »Das ist nicht Deutsch«, meinte er, »Polnisch vielleicht. Ja, Polnisch. Waren wir je in Polen?«
    Hedwig Anders schüttelte den Kopf. »Tobias, woher hast du dieses Foto?«, fragte sie. Aber ihr Sohn schaute nicht einmal auf.
    Sie seufzte.
    »Vermutlich langweilt es ihn zu Tode.« Viktor griff zum Buttermesser. »Ich hol das mal da raus.« Er machte sich daran, das Bild vom Papier zu lösen. Als es ihm gelang, fand er auf der Rückseite einen Vermerk mit Bleistift: Maria Szymborska.
    »Sagt uns das irgendwas?«, fragte Tante Hedwig.
    Viktor schüttelte den Kopf. »Nein, nur dass Szymborska der Nachname von Bulhaupts Haushaltshilfe ist.« Er verstummte. »Hat vermutlich nichts zu bedeuten.« Wieder machte er eine Pause. Wenn man genauer hinschaute, war die Kleine auf dem Bild Dorota gar nicht mal unähnlich. Konnte so etwas Zufall sein? »Ich wusste nicht mal, dass sie ein Kind hat.«
    »Aber wie sollte Tobias an ein Bild von dieser Maria kommen?«
    »Oh, ich hatte ihn kürzlich bei den Bulhaupts dabei«, sagte Viktor und verschanzte sich hinter seinem Getränk.
    »Ja, aber, wieso …?« Seine Tante war ratlos. »Wann war das?«, fragte sie schließlich.
    Viktor zuckte mit den Schultern. »So letzte Woche.« Er hatte keine Lust, sich in dieser Sache genauer zu erklären.
    »Aber das Bild ist vom 21.«, sagte seine Tante.
    »Wie bitte?«, fragte Viktor, dem gerade einfiel, dass Dorota Szymborska am Tag ihres Besuchs gar nicht im Haus gewesen war.
    Seine Tante wies auf das handschriftliche Datum am Fuß der Seite. »Er verlangt von mir, dass ich jeden Tag genau vermerke. Das Album ist so eine Art Tagebuch von ihm, weißt du? Er kann das Bild nicht später als am 21. eingeklebt haben. Tobias ist in bestimmten Dingen sehr genau.«
    »Wem sagst du das.« Viktor versuchte, ruhig zu wirken, während er nachrechnete. »Das war der Tag, an

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