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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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dem wir die Leiche von Herrn Bulhaupt bekommen haben, ich meine, an dem er gestorben ist. Das heißt ja …« Er wandte sich zu Tobias um. »Sag mal, Großer, hast du das Bild etwa aus Bulhaupts Brieftasche geklaut?«
    »Böses Wort«, kreischte Tobias auf. »Nein, nein, nein, nein, nein.«
    »Ist ja schon gut. Klappe«, unterbrach Viktor ihn. Er wandte sich an seine Tante. »Ich dachte, Autisten lügen nicht.«
    Sie ging zu ihrem Sohn und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Es ist ja gut, Tobi. Wir wollen nur wissen, woher das Bild kommt. Du hast nichts falsch gemacht. Alles gut. Wo hast du das Bild her?«
    Es dauerte einen Moment, bis Tobias aufhörte, seinen Oberkörper hin und her zu werfen. Dann saß er auf einmal kerzengerade, legte seine Finger auf die Tasten und tippte in rasender Geschwindigkeit: Aus dem Keller.
    Viktor starrte die Buchstaben an. »Alles klar. Bleibt nur noch die Frage, wieso der Professor ein Bild der Tochter seines Dienstmädchens in seiner Brieftasche mit sich herumtrug.«
    »Ist das wirklich eine Frage?«, meinte seine Tante mit unerwarteter Gelassenheit. »Vermutlich ging’s nach Gutsherrenart.«
    Viktor grinste sie an. »Böses Wort, Tante Hedwig. In dir steckt wirklich mehr, als man vermutet.« Dann zuckte er mit den Schultern. »Ist wohl besser, wenn ich das in der Rede nicht erwähne.«
    Seine Tante lachte. Dann schaute sie auf. »Hat da eben etwas gebellt?«
    »Nein«, sagte Viktor und verließ im Laufschritt die Küche.
    Frau Bulhaupt senior drückte energisch auf die Klingel. Seit fast einer Viertelstunde läutete sie nun, und niemand antwortete. Ihre nichtsnutzige Schwiegertochter hatte sich vermutlich wieder über ihrer Garage verschanzt, um irgendwelchen Flittchen den Schmutz unter den Nägeln hervorzupulen, oder was sie da tat. Sie empfing ja sogar Männer. Oft genug hatte sie mit ihrem Sohn darüber gestritten. Aber der hatte es vorgezogen, die Augen davor zu verschließen. Und diese kleine polnische Schlampe? Wollte die ihr etwa erzählen, sie hätte wieder einen freien Tag? Nicht mit ihr. Sie war bei vollem Bewusstsein. Sie wusste genau, dass diese Ostdeutsche Kanzlerin war und dass der Bundespräsident nichts taugte. Nicht mit ihr. Heute war Donnerstag, und man hatte gefälligst zu ihrer Verfügung zu stehen.
    »Dorota«, rief sie mit schriller Stimme. Da waren Schritte im Korridor zu hören. Na endlich! Kampflustig legte sie sich in den Kissen zurück und klopfte mit ihren trockenen Händen auf die Decke. Die sollte ihr unter die Augen kommen. Während die Schritte auf dem Flur sich näherten, legte sie sich ihre Rede zurecht. Wie konnte man nur so faul sein, aber damit käme sie nicht durch, das war hier doch schließlich nicht die Dritte Welt. Wie es in einem anständigen Haushalt zuging, das würde sie bei ihr schon noch lernen. Gleich musste die Tür aufgehen. Aber da verharrten die Schritte. Auf dem Flur blieb es stumm.
    »Dorota?«, kreischte die Bulhaupt. Die Tür war nur angelehnt, und sie konnte einen Teil des Korridors einsehen. Der aber war völlig leer. Dennoch befand sich dort jemand; sie war ganz sicher. Jemand war gekommen, war im toten Winkel stehen geblieben und belauerte sie jetzt. Seine Präsenz war in der Stille überdeutlich, so fühlbar, dass ihr eine Gänsehaut über die Arme lief.
    »Warum kommst du nicht rein?«, fragte sie und verstummte abrupt. Ein seltsamer Aberglaube erfasste sie plötzlich, so als könnte das, was dort draußen lauerte, tatsächlich erst eindringen, wenn sie ihm die Erlaubnis erteilte und es einlud. So oder so antwortete ihr nur Schweigen. Oder war da ein Scharren gewesen? Ein Räuspern? War das dort hinten ein Schatten? Der Schatten von jemandem, der sich bemühte, still zu bleiben?
    Frau Bulhaupt war keine ängstliche Natur. Sie war an der Seite ihres zweiten Gatten auf Safari gewesen und hatte ruhig gezielt, während ein Nashorn auf sie zugaloppiert war. Sie hatte schwarze Vorarbeiter mit der Reitpeitsche verdroschen; das waren Zeiten gewesen! Aber sie war nicht mehr jung. Sie fühlte sich alt und gebrechlich. Und keine Waffe in Reichweite. Nein, das stimmte nicht ganz: In der Hutschachtel auf dem Schrank lag noch ihre alte Pistole, ebenfalls ein Geschenk des Kapitäns. Vergraben unter den aus der Mode gekommenen Hüten und ausrangierten Abendtäschchen, aber sie war da. Wenn sie nur eine Chance bekäme, heranzukommen.
    So leise es ging und ohne den Eingang aus den Augen zu lassen, schlug die Greisin ihre Decke

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