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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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müssen, Ina. Mein Leben wird sich ändern.«
    Ein Vogel pfiff sehr laut, ich zuckte zusammen und sah mich suchend um.
    »Was ist das?«
    »Ein Halsbandschnäpper.« Olaf schmunzelte und zeigte auf eine Uhr, die über seiner Küchentür hing. Anstelle der Zahlen waren Bilder von einheimischen Vögeln abgebildet. »Die habe ich mir schon vor Längerem gekauft, war aber nicht sicher, ob ich sie zurückgeben soll. Sie singen zur vollen Stunde. Alles einheimische Vögel. Und gestern hat Michelle erwähnt, dass sie Vogelgezwitscher mag, und da dachte ich …« Olaf hielt inne, setzte sich gerade hin und fuhr dann fort: »Ich finde sie sehr witzig. Mir gefällt sie.«
    »Aha. Und jetzt ist es also Halsbandschnäpper.« Ich stellte die Tasse in die Spüle. »Solltest du nicht schon lange in der Bank hinter deinem Schalter stehen?«
    »Heute müssen sie ohne mich auskommen. Ich habe mir einen Tag freigenommen. Wir machen einen Ausflug, Michelle und ich.«
    »Na dann, viel Spaß, Brüderlein.« Ich streckte mich nach den Tellern und wollte sie zusammenstellen.
    »Lass nur, Ina. Ich mach das schon. Schließlich bist du mein Gast.«
    Der Stoff meiner Jeans klebte in der offenen Wunde. Ein scharfer Schmerz durchfuhr mich, als ich versuchte, die Hose über meine Knie zu ziehen. Schließlich stieg ich in die Dusche, wusch mich und ließ warmes Wasser über die blutige Stelle laufen. Das sah nicht gut aus. Die Schnitte und Schürfungen waren tiefer, als ich gedacht hatte. Ich zog ein Handtuch von der Stange und rubbelte über meine Arme und meinen Bauch, bis sie rot wurden.
    Ein Blick in Olafs Apothekenschrank machte meine Hoffnungen zunichte. Außer Aspirin und Nasenspray gähnte mich nur unendliche Leere an. Von Desinfektionsmitteln, Verbänden oder Pflastern keine Spur. Mein Bruder wurde nicht krank. Trotz seines Übergewichtes war er fit oder hielt sich zumindest dafür. Nur der Schnupfen, der ihn im Herbst heimsuchte, brachte ihn mit schöner Regelmäßigkeit in seinen Augen an den Rand des Todes.
    Ich wollte die Schranktür wieder schließen, als mein Blick auf einen Blisterpack fiel. Die Hälfte der Tabletten fehlte. 7b lain. Diesen Namen hatte ich schon mal gehört, aber ich war mir nicht sicher, in welchem Zusammenhang und ob ich mich richtig erinnerte. Ich steckte die Packung in meinen BH und stopfte die nasse Jeans in die Waschmaschine. Zur Apotheke musste ich sowieso. Dort würde ich fragen.
    Mein Koffer stand in der Ecke des Zimmers. Obwohl Olaf mir im Schrank des Gästezimmers einen eigenen Teil frei geräumt hatte, lagen meine Kleider seit dem Tag vor drei Wochen, als ich hier angekommen war, in einem Haufen auf dem Boden. Ich wühlte mich bis auf den Grund und fand den schwarzen langen Rock, den ich mir in einem Hippiemodeladen gekauft hatte. Automatisch wählte ich ein schwarzes T-Shirt, ließ es wieder fallen und kramte nach dem lilafarbenen Oberteil, das die Verkäuferin mir dazu aufgeschwatzt hatte.
    Gut. Ich betrachtete mich von oben bis unten. So konnte ich mich sehen lassen. Der Stoff des Rockes schwang locker um meine Beine und berührte die Wunden nicht. Mein Fuß blieb an einer Hose hängen. Seit drei Wochen stieg ich über den Stoffberg, ohne ihn überhaupt wahrzunehmen.
    Jetzt störte er mich.
    Ich seufzte und schob die Schranktür zur Seite. Die leeren Kleiderbügel klapperten leise. Ich hängte eine meiner Lieblingsstrickjacken auf. Obwohl mir klar war, dass ich eigentlich anderes zu tun hatte, als meine Kleider zu sortieren, wollte ich jetzt und hier in diesen kleinen Teil meines Lebens Ordnung hineinbringen. Hosen zu Hosen, Shirts zu Shirts, Jacken zu Jacken.
    Als ich merkte, dass ich die Kleider auch noch farblich sortiert hatte, musste ich über mich selbst lächeln. Aber vielleicht war es gut, mich in Struktur zu üben. Ich setzte mich auf die Bettkante und starrte in den offenen Kleiderschrank.
    Vier Monate war es jetzt her, und immer noch verfolgten mich Jans Augen, sein Flüstern und das Gefühl seiner Hände auf meiner Haut bis in meine Träume hinein. Bis in meine Alpträume, denn meine Seele wusste, dass es nicht richtig gewesen war, ihn zu lieben. Ihn immer weiter zu lieben, auch als ich wusste, was er war und was er getan hatte.
    Meine Instinkte hatten auf der ganzen Linie versagt. Ich hatte mich und Matthias in große Gefahr gebracht. Die anschließende Kurzzeittherapie hatte geholfen, aber vollständig überwunden hatte ich es noch nicht.
    Ich ließ mich nach hinten auf die weiche Decke

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