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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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jesacht, abber …« Zwei Stücke Würfelzucker plumpsten in die Tasse. »Man kann halt nich immer verzischten.« Sie seufzte.
    »Die Familie Prutschik«, unterbrach ich sie. »Kannten Sie sie?«
    »Ne, isch weiß nur, wat man so jeredet hat.« Diesmal kam der Cognac an die Reihe. Pur. Zusätze blieben ihm erspart.
    Ich blickte sie aufmerksam an und lächelte ermunternd.
    »Der hatte wohl eine Freundin! Deswegen ist er weggegangen damals.« Sie wechselte ins Hochdeutsche. Das Thema erforderte es anscheinend. »So ein ganz junges Ding! Dat muss man sich mal vorstellen! Der war doch schon mindestens …« Sie stellte das Glas auf den Tisch und starrte an die Decke. »Warte mal, der Prutschik ist so alt wie meiner Cousine Käthe sein Sohn Walter, die waren zusammen in der Schule, und der ist von 53, also muss der Prutschik jetzt auch sechsundfünfzig sein. Und als der Knall auf Fall weg ist, da hatte gerade Müllersch Franz seinen Anbau …« Sie verstummte, aber ich konnte sehen, wie ihre Gedanken weitersprangen. Schließlich nickte sie und verkündete: »Vierzig. Der muss so vierzig gewesen sein. Das Mädchen war höchstens fünfzehn oder sechzehn.«
    »Und seine Frau, wie hat die reagiert?«
    »Gar nicht. Zumindest nicht, dass man es gemerkt hätte. Sie hat die Augen zugemacht. Wollte das gar nicht sehen!«
    »Hat ihn niemand angezeigt? Das Mädchen war ja immerhin noch minderjährig.«
    Frau Rostler lachte. »Minderjährig schon. Aber das sah man ihr nicht an, und sie benahm sich auch nicht so. Ich glaube noch nicht mal, dass das dem Prutschik klar war. Ein Luder war das, die Maria. Der Prutschik war nicht der Erste, der was mit ihr hatte. Aber die anderen kamen nicht von hier.«
    »Sie wissen, wie das Mädchen hieß?«
    Mein Handy klingelte. Ich zog es aus der Tasche. Das Display zeigte vier Sternchen – Symbol für eine anonyme Nummer. Ich drückte den Anruf weg und wandte mich wieder Frau Rostler zu.
    »Entschuldigen Sie bitte.« Ich überlegte kurz, wo wir unterbrochen worden waren. »Also, Sie wissen, wie das Mädchen heißt?
    »Sischer, weiß ich dat. Henke Schorsch sein Maria. Janz wie die Mutter. Die iss auch auf und davon mit einem aus Düsseldorf. Dat iss abber noch länger her.«
    »Gibt es noch andere Verwandte hier in Gemünd?«
    »Henke Schorsch ist vor ein paar Jahren gestorben. Aber ihr Bruder Paul lebt noch hier.« Sie stand auf, ging in eine Ecke der Küche und kramte in einem Weidenkorb. »Hier.« Sie blätterte die Kölnische Rundschau vor mir auf. Ein Mann mit dunklen Haaren, grünem Hut und Kinnbart blickte ernst in die Kamera. Die Frau neben ihm lächelte angestrengt unter ihrem Diadem hervor. Für ihr Alter, das ich auf Mitte dreißig schätzte, gruben sich zu viele Falten um ihre Mundwinkel ein.
    »Alt-Schützenkönig von 2008 Paul Henk und seine Frau Irene«, stand unter dem Bild. Frau Rostler schob die Zeitung zu mir und schüttelte den Kopf. »Die Henke Männ haben kein Glück mit ihren Frauen. Die iss auch tritschen jejangen. Eines Tages war sie einfach weg. Nur ein paar Wochen nach dem Schützenfest im letzten Jahr. Wenigstens haben die beiden keine Kinder.«
    »Wissen Sie, was aus Maria Henk geworden ist?«
    »Ne, dat weiß ich nitt.« Noch einmal stand sie auf und huschte in den Flur, um gleich darauf wieder mit einem Telefonbuch der Stadt Schleiden wiederzukommen. »Der Paul wohnt doch hier, dann müsste auch die Nummer drinstehen. Du kannst ihn ja mal fragen.« Sie schlug die Seiten auf und fuhr mit dem Finger über die Reihen von Namen. »Henk, Henk«, murmelte sie. Dann sah sie mich an: »Da!« Sie spuckte das Wort aus, als ob sie den armen Paul Henk damit festnageln wollte. »Da isser ja.«
    »Bruchstraße 89a«, las ich laut vor. »Ich weiß, wo das ist.« Die Adresse lag in Malsbenden. Ich speicherte die Nummer in meinem Handy und beschloss, es gleich nach dem Besuch bei Frau Rostler bei Paul Henk zu versuchen. »Und die Prutschiks sind dann weggezogen?«
    »Wie man sich erzählte, hatte er eine neue Stelle, irgendwo im Süddeutschen. Nach drei Jahren war sie dann ohne ihn wieder hier, mit dem Jungen. Der war aber nur kurz da und ist dann wieder zum Vater.«
    »Und dann hat Monika Berkel wieder geheiratet?«
    »Och, iss dat verhieroot mit demm Klaes?«
    Ich spitzte die Lippen. Bisher hatte ich mir die Frage nicht gestellt. Noch ein Punkt auf meiner Liste. So langsam sollte ich es mir aufschreiben.
    Ich trank den letzten Schluck des mittlerweile kalt gewordenen Kaffees und

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