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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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stand auf.
    »Sie haben mir wirklich sehr geholfen, Frau Rostler. Danke schön.«
    »Ach, dat bissjen, Kind. Isch weijß ja nitt vill, aber dat sach isch dir jerne.« Sie stellte sich dicht neben mich und fasste an meinen Arm. »Son richtijer Mordfall iss doch wat Aufrejendes! Da hilft mer doch jern!«
    Ich beugte mich auf ihre eins fünfundfünfzig hinunter und flüsterte: »Das haben Sie der Polizei doch sicher auch schon alles erzählt, oder?«
    Entrüstet rückte sie von mir ab.
    »Nee, Kind. Die kenn isch doch nicht. Außerdem …« Sie reckte ihr Kinn in die Höhe. Diesmal zitterten die Lockenspitzen. »… haben die mich nicht gefragt!«
    Ich nickte, ging zur Haustür und legte die Hand auf die Klinke.
    »Tschüs, Frau Rostler. Danke noch mal.«
    »Du kannst immer kommen, Kind. Isch krisch ja nur selten Besuch.«

ZEHN
    Als ich über die Straße zu meinem Käfer ging, stand sie hinter den Gardinen und winkte mir. Ich winkte zurück und fühlte mich ein bisschen schlecht.
    »Kommst du wieder nach Hause?«
    »Was?« Ich drehte mich um. Michelle stand auf den Stufen von Hermanns Haus. Ihre riesige schwarze Lacktasche baumelte an der einen, ein roter Mantel hing über der anderen Hand.
    »Ich dachte, du wolltest wieder zu uns kommen.«
    »Uns?«
    Sie stellte die Tasche ab und legte den Mantel darüber. Dann verschränkte sie ihre Hände und sah mich unsicher an.
    »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, aber Olaf und ich …«
    »Nein, nein, ist schon in Ordnung so«, beeilte ich mich zu erwidern. »Ich war nur einen Augenblick verwirrt. Geht das nicht ein bisschen schnell?«
    Jetzt strahlte sie.
    »Eigentlich kann es uns gar nicht schnell genug gehen!«
    »Und deine Arbeit in Düsseldorf?«
    »Es wird sich eine Lösung finden.«
    »Ja.« Ich nickte und versuchte ein zaghaftes Lächeln, das meine Zweifel an der ganzen Sache verdecken würde.
    »Kommst du denn jetzt wieder nach Hause?«
    »Nein.« Nicht bevor Olaf sich bei mir entschuldigt hat oder zumindest versucht, mit mir darüber zu reden, dachte ich, verkniff es mir aber, die Worte laut auszusprechen. Michelle war sympathisch, aber einen zu tiefen Einblick in die Beziehung zu meinem Bruder wollte ich ihr dann doch nicht gewähren. Zumindest noch nicht. »Ich fühle mich bei Steffen sehr wohl.« Dafür hatte sie sicher Verständnis.
    Michelle sah mich an, strich eine Ponysträhne aus dem Gesicht und lächelte abwartend.
    »Ich war bei der Nachbarin.«
    »Aha.« Michelle fragte nicht nach, aber ich sah, dass sie neugierig war.
    »Ein bisschen über die Vergangenheit erzählen.«
    »Auch über den Mordfall?«
    »Ja, auch über den Mordfall.«
    Sie senkte die Lider, seufzte theatralisch, und als sie mich ansah, schlich ein Grinsen über ihr Gesicht.
    »Du bist gemein, Ina! Ich platze vor Neugierde, und du lässt mich am langen Arm vertrocknen.«
    »Frau Rostler hat mir ein bisschen über die Familie Prutschik erzählt.« Das musste genügen.
    »Ah.« Sie nickte und schwieg einen Moment. Wieder strich sie sich die Haare aus der Stirn. »Soll ich Olaf etwas von dir ausrichten?«, wechselte sie das Thema.
    »Hermann geht es unverändert. Wir werden sehen, wie es mit den Sprachstörungen weitergeht. Ich war heute Morgen dort, aber er schlief.«
    »Das ist gut«, murmelte sie. »Das ist gut, wenn er sich gesund schläft!« Sie kramte in ihrer Handtasche und zog einen Schlüsselbund heraus. Ich erkannte ihn. Es war meiner. Schmunzelnd drückte sie ihn mir in die Hand.
    »Der lag im Gästezimmer. Vielleicht brauchst du ihn ja doch noch in den nächsten Tagen.« Dann stöckelte sie zu ihrem Wagen, öffnete die Tür und glitt auf den Fahrersitz. »Ich würde mich freuen.«
    Der Motor des kleinen Wagens heulte auf, und sie brauste davon.
    Beim Anblick ihrer Heckscheibe fiel mir ein, dass sie nicht gesagt hatte, wohin sie fuhr. Ich hatte aber auch nicht gefragt.
    Wenn ich schon einmal hier war, konnte ich genauso gut ein paar Kleider und meine Bücher einpacken und mit zu Steffen nehmen. Paul Henk konnte noch eine halbe Stunde auf meinen Überraschungsbesuch warten. Ich ging über die Straße zum Haus meines Vaters und klingelte. Nichts rührte sich.
    Olaf beriet vermutlich schon seit Stunden die fleißigen Gemünder in der Bankfiliale, wie sie ihr Geld gewinnbringend anlegen konnten.
    Der Schlüssel klemmte, als ich die Haustür öffnen wollte. Ich versuchte es ein zweites Mal. Erst beim dritten Anlauf dämmerte es mir, dass der Schlüssel an meinem Bund nicht zu dem Schloss

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