Gemuender Blut
Hippiehemd.
»Wie es aussieht, war er am Tatabend nicht, wie er gesagt hat, in Köln und ist dort aufgetreten.«
Matthias nickte, unterbrach mich aber nicht. Er hatte offenbar gründlich recherchiert.
»Wir haben einen Brief gefunden, den ein Immobilienmakler an Jonas und seine Mutter geschickt hatte. An die Kölner Adresse.«
Wieder nickte Mattes.
»Leider konnten wir ihn noch nicht zur Rede stellen.«
»Was ich mich die ganze Zeit frage, ist, warum Sauerbier noch nicht darauf gekommen ist?«, warf Steffen ein.
»Ich habe mir Zugang zur Aktenlage verschafft. Es gibt einen alten Fall mit einem von Jonas Prutschiks Mitbewohnern, der einen wunderbaren Vorwand abgab.« Mattes grinste. »Laut dieser Aktenlage hat Prutschik junior ein Alibi. Seine Mitbewohner schwören Stein und Bein, dass er an diesem Abend zu Hause gewesen sei.«
»Uns hat der freundliche junge Herr mit dem Schrubber nichts Derartiges gesagt«, murmelte Steffen.
»Brauchte er ja auch nicht. Der Putzplan sprach ja für sich.« Ich stand auf, glättete den verknitterten Zettel aus meiner Handtasche und hielt ihn Mattes hin.
Nicken zum Dritten. Er verschränkte die Arme über dem Kopf und starrte aus dem Fenster.
»Peter Prutschik hat schon vor Jahren das Haus auf den Jungen überschreiben lassen. Vermutlich aus Steuer- und erbtechnischen Gründen. Es gab so viel Bargeld, dass Jonas mit Sicherheit einen schönen Batzen an Vater Staat hätte abführen müssen, wenn der Erblasser erblasste.«
»Also konnte er es schon vor dem Tod des Vaters verkaufen!«, warf ich ein.
»Und er wollte es verkaufen«, ergänzte Steffen.
»Jaha, aber andersherum wird ein Schuh draus. Ihr müsst mich schon«, Mattes öffnete die Thermoskanne, goss sich frischen Kaffee ein und gab umständlich zwei Würfelzucker und einen Schuss Milch hinein, »zu Ende reden lassen.«
Mit der Tasse in der Hand lehnte er sich wieder in die Kissen und genoss augenscheinlich die ungeteilte Aufmerksamkeit, die Steffen und ich ihm in diesem Augenblick zuteilwerden ließen.
Ich biss mir auf die Lippen. Ich kannte meinen Kollegen. Wenn ich ihn jetzt unterbrechen würde, würde er mich ewig zappeln lassen.
»Prutschik senior wollte sein Testament ändern. Den Junior sogar vom Pflichtteil ausnehmen. Und er machte Anstalten, die Überschreibung rückgängig zu machen.«
Ich wunderte mich, woher Mattes diese Information so schnell herbekommen hatte, hielt mich aber weiterhin zurück. Er hatte seine Quellen, die ich nicht immer gutheißen konnte. Die hübschen Statuen aus seiner Bildhauerhobbywerkstatt verschönerten mittlerweile den ein oder anderen Garten des ein oder anderen Entscheidungsträgers.
»Geht das so einfach?«, wollte Steffen wissen.
»Gehen: ja. Einfach: nein.« Mattes rührte demonstrativ in seinem Kaffee.
Ich legte Steffen eine Hand auf den Unterarm und schüttelte den Kopf. Er verstand meine Geste, verstummte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Mattes zu.
»Man muss schon sehr gewichtige Gründe nennen, um jemanden komplett vom Erbe auszuschließen. Im Normalfall ist das nahezu unmöglich. Es sei denn …« Wieder brach er ab und trank einen Schluck aus seiner Tasse. »Es sei denn, der Erbe würde dem Erblasser nach dem Leben trachten, ihn misshandeln oder grob gegen Sitten und Anstand verstoßen.«
»Gegen Sitte und Anstand war das Treiben des Sohnes in Peter Prutschiks Augen allemal.« Ich erinnerte mich an Jonas’ Äußerungen. »Jonas wusste, dass sein Vater ihn enterben wollte?«
»Das konnte ich nicht herausfinden.« Mattes schüttelte bedauernd den Kopf. »Aber eine neue Klage gegen Monika Berkel hatte er erst vor Kurzem wieder erhoben.«
»Noch ein Ordner im Regal«, murmelte ich.
Zwei Augenpaare schauten mich verwundert an.
»Jonas hat mir die Aktenlage gezeigt.« Ich lachte trocken auf. »Ein ganzer Kellerraum voller Aktenregale, alles Klagen des netten Herrn Prutschik gegen seine Exfrau.«
»Diesmal ging es um die Aberkennung der Rentenansprüche, die Frau Berkel gegen ihn hatte.«
In meinem Kopf ordneten sich die Gedanken zu einem Bild, dessen Titel »Das Mordmotiv« lautete.
»Wir müssen versuchen, ihn festzunageln, unseren feinen Herrn Prutschik junior«, beschloss ich und stand auf.
»Kommt, ihr Herren und wackren Ritter, auf ins Gefecht!« Ich grinste die beiden Männer auf dem Sofa an. Steffen machte Anstalten, sich zu erheben, doch Mattes hielt ihn zurück.
»Setz dich, Ina.«
»Aber wir sollten keine Zeit …«
»Setz dich, Ina, und
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