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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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auf der Küchenbank, die Beine hochgezogen und immer noch so bleich im Gesicht wie vor einer Stunde.
    »Ich koche uns jetzt erst mal einen Kaffee. Sonst kann ich nicht denken«, murmelte ich. Die Beschäftigung mit einer banalen Tätigkeit würde mir helfen, meine Gedanken und die Bilder in meinem Kopf zu ordnen.
    Olaf nickte stumm und starrte vor sich auf die Tischplatte.
    Wir beide schreckten hoch, als eine Stimme die Stille zerschnitt und Michelle mit einem Schwung die Tür zur Küche aufstieß. In jeder Hand hielt sie mehrere Plastiktüten, deren Material und Aufdrucke die edle Herkunft bezeugten.
    »Schau, Schatz, ich war einkaufen.« Sie kramte in einer der Tüten. Violettes Lackpapier und die goldene Aufschrift »Gulci et Gulci« ließen den Beutel so wertvoll erscheinen wie die Bluse aus dünnem Stoff, die Michelle nun durch ihre Finger gleiten ließ. »Und hier – tadahh!« Andere Tüte in anderer Farbe mit anderer Aufschrift und ein anderes Kleidungsstück. Ein Rock diesmal. Nicht weniger edel als die Bluse. »Das sieht bestimmt super aus, Olaf.«
    Sie küsste ihn auf die Wange und zwitscherte in einem fort. »Dir habe ich auch etwas mitgebracht.« Eine Krawatte und ein Hemd in einer Farbkombination, die meinen Bruder eigentlich hätte blind machen müssen, folgten einer Reihe kleinerer Schächtelchen, deren Inhalt ich nicht erkennen konnte. »Und jetzt das Beste!«, strahlte sie und wuchtete die größte der Tüten auf den Tisch. Mit einem geheimnisvollen Lächeln versenkte sie ihre Hände darin, hob eine schwarz lackierte Hochglanzschachtel hoch und lüpfte behutsam den Deckel.
    Ich schluckte. Die ganze Situation war absurd. Im Nebenhaus war gerade eine freundliche alte Dame unter sehr seltsamen Umständen zu Tode gekommen, und die Freundin meines Bruders hatte keine anderen Sorgen als ihre neuesten Errungenschaften.
    »Michelle, ich muss …«, setzte ich an, um sie in ihrem Elan zu bremsen.
    »Stopp! Keine Widerrede!« Michelle hob die Hand, sah mich eindringlich an und legte ihren Finger auf die Lippen. »Macht die Augen zu. – Nein, warte!« Sie flatterte um mich herum, reichte mir mein Handy, das vor uns auf dem Tisch gelegen hatte, und presste auf einige Knöpfe, während sie sich zu mir hinüberbeugte. »Mach ein Foto von uns, wenn ich es dir sage.« Sie drückte mir das Telefon in die Hand, stellte sich neben mich und schielte auf das Display, um das Objektiv auszurichten. »So wird es gehen. Jetzt schließt die Augen.«
    Müde folgte ich ihrer Anweisung. Irgendwann würde sie wieder runterkommen von ihrer Shoppingeuphorie. Und wenn nicht, würde ich sie runterholen müssen.
    Es raschelte, ich hörte ein gemurmeltes »Halt doch mal still, du Spielverderber!« und dann wieder Rascheln.
    »Jetzt, Ina!«
    Automatisch drückte ich den Auslöser, ohne vorher auf das Display zu sehen, und ließ das Handy sinken. Ich ging zu Michelle und berührte sie so, wie man einen Schlafenden weckt, den man nur behutsam aus seinem schönen Traum holen möchte.
    »Unsere Nachbarin Frau Rostler ist tot. Sie ist die Treppe hinuntergestürzt und hat sich dabei den Oberschenkel gebrochen.« Es reichte mir. »Sie ist verblutet.«
    Michelle richtete sich auf und berührte mit ihren schlanken Fingern die breite Krempe des Hutes. Wie eine Filmdiva nahm sie den Hut ab, schüttelte ihre Haare aus und legte ihn wieder in die Hutschachtel. Dann fasste sie Olafs schwarzen Stetson und wickelte ihn in das Seidenpapier, bevor sie auch ihn in seiner Kiste versenkte. Das alles in Zeitlupe.
    Ihre Absätze klackerten auf dem Linoleum des Küchenfußbodens, und ein Hauch edlen Parfüms stieg in meine Nase, als sie um den Tisch herumging und sich auf den freien Stuhl am Tischende setzte. Sie starrte wortlos vor sich hin. Nur in ihrem rechten Augenlid zuckte es.
    »Die arme Frau.« Michelle legte beide Hände vor sich, als ob sie beten wollte. »Wann ist das passiert?«
    »Zwischen gestern Nachmittag und heute Nacht. Genaueres wissen sie erst nach der Obduktion.«
    »Gestern Nachmittag und Abend waren wir in der Sauna, Olaf. Richtig?« Sie hob den Kopf und sah mich an. Zum ersten Mal bemerkte ich, dass ihre Augen zwei verschiedene Farben hatten. Eines war blau, das andere braun. Ich stutzte. Waren ihre Augen nicht beide blau gewesen?
    »Vielleicht hätten wir ihr noch helfen können, Olaf!« Sie schüttelte den Kopf und schlang die Arme um sich.
    »Der Arzt hat gemeint, sie hätte einen Zuckerschock bekommen, wäre bewusstlos geworden

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