G.E.N. Bloods 1 - Eisfeuer - Felsing, K: G.E.N. Bloods 1 - Eisfeuer
sie wusste, dass die Gefangenen um 22:00 Uhr in ihren Zellen zu sein hatten. Zwischen dem Abendessen und dem Einschluss durften sie sich in die Gemeinschaftsräume begeben. Ein Spielzimmer, in dem ein abgenutzter Billardtisch stand, ein Regal mit ein paar Kartenspielen und einer Mensch-ärger-dich-Nicht Version mit zerfleddertem Spielbrett. Es gab noch einen Fitnessraum mit verschiedenen Trimm-dich-Geräten und ein Fernsehzimmer. Wenn man das so nennen konnte. Der kahle Raum verfügte über einen winzigen Fernseher an einer Wandhalterung und etwa zehn einfache Plastikstühle.
Die Frau zog ungeduldig an Jamies T-Shirt.
„Beeil dich lieber, sonst ist es vorbei.“
Verdammt! Sie wollte ihre Ruhe haben und konnte es zudem überhaupt nicht leiden, wenn sie zu irgendetwas animiert werden sollte und keine Ahnung hatte, worum es ging. Dem Gesicht der Grauhaarigen entnahm sie jedoch, dass diese nicht zu weiteren Erklärungen bereit war. Jamie schwang langsam die Beine aus dem Bett und fühlte sich jäh in den Stand gezogen. Nummer 715, wie ein Aufnäher am Ärmel des T-Shirts preisgab, schob sie voran. Willenlos ließ sich Jamie steuern und fand sich vor der Tür des Fernsehraums wieder. Sie kamen nicht hinein. Drei Frauen drängten sich in den Türrahmen, drei weitere versuchten, vom Flur aus ihre Hälse zu recken und über die Köpfe der anderen hinweg in den Raum zu schauen.
„Macht mal Platz da“, blaffte ihre Mitgefangene und schob energisch zwei Frauen beiseite. Die anderen traten auseinander und bildeten eine schmale Lücke, durch die sich Jamie im nächsten Augenblick geschoben sah. Wenige Schritte vor dem Fernsehgerät kam sie zum Stehen und musste den Kopf weit in den Nacken legen, um das Bild zu erfassen.
„Ruhe!“, schrie No. 715 und tatsächlich befolgten die Frauen das Kommando. Es wurde mucksmäuschenstill, nur die Worte des Ansagers plärrten aus den kaputten Lautsprechern.
„Wir unterbrechen unser Programm für die angekündigte Sonderberichterstattung aus New Orleans. Dort ist am späten Nachmittag auf ungewöhnliche Weise das Verschwinden eines jungen Mädchen bekannt geworden. Wir schalten live zu unserer Reporterin Dagny French nach New Orleans.“
Das Bild wechselte. Jamie sah einen Platz, den man mit ein paar Flutlichtern ausleuchtete und eine Journalistin, die ein Mikrofon vor den Mund hielt. Dutzende, eher Hunderte Menschen drängten sich hinter ihr. Einige trugen Spruchbänder. Auf einem las Jamie. „Cindy, come home!“
Tränen schossen in ihre Augen, füllten Nase und Ohren, sodass sie die ersten Worte nur wie unter Wasser hörte. Sie schnaufte sich hastig.
„Dagny, was ist los in New Orleans?“
„Hallo Andrew. Es ist kurz nach 23:00 Uhr bei uns. Seit einigen Stunden gehen die Menschen auf die Straße. Es werden von Stunde zu Stunde mehr. Sie sind auf der Suche nach Cindy McForest, einer 18-jährigen Schülerin, die bis vor einigen Monaten die Ben Franklin Highschool besucht hat.“
„Was kannst du uns zu dem Hintergrund dieser ungewöhnliche Suchaktion sagen?“
„Wenn es sich nicht um einen dummen Jugendstreich handelt, dann ist Cindy in akuter Lebensgefahr. Sie befindet sich in der Gewalt eines mutmaßlichen Serienkillers, angeblich einem angesehenen Anwalt aus New Orleans.“
„Woher stammen die Informationen?“
Die Reporterin lächelte kurz, aber es war ein trauriger Ausdruck.
„Cindy hat sich über Skype mit ihrer Freundin Rachel in Verbindung gesetzt. Wir wissen noch nicht, wie Cindy es geschafft hat, aber ihr mutmaßlicher Entführer hat ein Geständnis abgelegt und Rachel hat es aufgezeichnet.“
„Wir blenden zurück, um Ihnen einige Ausschnitte des Videos zu zeigen.“
Das Bild der Reporterin verschwand in einem kleinen Kasten in der linken oberen Bildschirmecke. Stattdessen sah Jamie ein unbekanntes Gesicht. Es wirkte seltsam teigig, doch die stechenden Augen schossen ihr frostige Eissplitter ins Genick. Der Mann hielt für einen Moment einen Führerschein vor die Kamera.
„Das Bild gleicht Ihnen nicht, Mr. Hurst. Während ich vorhin kurz mit Ihrer Gefangenen sprechen durfte, bat sie mich, Sie zum Demaskieren aufzufordern. Bitte tun Sie das jetzt.“
Die Haut des Mannes schien sich von seinem Gesicht zu lösen. Nur mühsam realisierte Jamie, dass er sich eine Maske vom Gesicht zog. Sie taumelte, als der Bildschirmausschnitt sich vergrößerte und Cindy neben ihm ins Bild geriet. Oh mein Gott! Ihre Knie verwandelten sich in flüssige Butter. No. 715 und
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