Gene sind kein Schicksal
wandelt«. Gerade sein komplexes Gehirn habe es dem Menschen erlaubt, sich von seiner Biologie zu emanzipieren.
Die Evolutionspsychologen versuchen diese Kritik als Genörgel jener abzutun, die sich mit der scheinbar wachsenden Deutungshoheit der Neurowissenschaften nicht abfinden möchten. Pikanterweise sind es jedoch die Erkenntnisse der Neurogenetik selbst, die offenbaren: Man kann das Verhalten des modernen Menschen tatsächlich nicht auf ein Erbe aus der Steinzeit reduzieren. Die Evolution der menschlichen Seele ist rasanter und vielgestaltiger verlaufen, als man es bis vor kurzem noch für möglich gehalten hat.
Die Evolutionspsychologie, sagt etwa der amerikanische Philosoph David Buller, biete nicht mehr als »großspurige und umfassende Behauptungen über die menschliche Natur für den Massengebrauch«. [56] Die Argumentation der Evolutionspsychologen ist holzschnittartig, weil ihre Storys zumeist auf der Behauptung aufbauen, die Geschlechter verfolgten in Sachen Sex unterschiedliche Ziele. Frauen können mit viel Aufwand nur wenige Kinder in die Welt setzen. Männern dagegen reicht mitunter wenig Aufwand, um viele Kinder zu haben. Männer suchen Masse, Frauen dagegen Klasse – um diesen Konflikt herum spinnen Evolutionspsychologen ihre Geschichten.
Passend zur großen Finanzkrise zu Beginn des 21 . Jahrhunderts verlegen Autoren wie Miller und Kruger die Handlung in die Welt des Konsums und bringen die Frage nach dem sozialen Ansehen ins Spiel: Status werde in den westlichen Industriegesellschaften durch Luxusgüter bestimmt. Wie wichtig das Ansehen für einen Menschen sein kann, das beschreibt der Autor Alain de Botton in seinem Buch
Statusangst
: »Leute mit einem bestimmten Status haben Zugang zu mehr Ressourcen, sie genießen mehr Freiheit, Raum, Komfort, und – was vielleicht am wichtigsten ist – sie genießen das Gefühl, gut versorgt zu sein und für wertvoll gehalten zu werden.« [57]
Ein schöner Satz – und klug zudem, weil der Autor nicht vom Virus der Evolutionspsychologie angesteckt ist und die angeblich so große Bedeutung des Status auf das Paarungsverhalten gar nicht erwähnt. Geoffrey Miller dagegen sieht das ganz anderes. Er hat nicht nur die Tänzerinnen studiert, sondern 89 männliche Studenten und deren erotische Phantasien untersucht. Miller und seine Mitarbeiter zeigten den Studenten auf dem Computermonitor attraktive Frauen und baten sie, sich ein Rendezvous mit ihnen auszumalen. Den nunmehr sexuell erregten Probanden gaben die Forscher dann eine imaginäre Summe in Höhe von 5000 Dollar und wollten von ihnen jeweils wissen, wie viel des Geldes sie für Konsumgüter ausgeben würden, die den Status erhöhen, beispielsweise für ein schickes Mobiltelefon oder für eine Reise nach Übersee. Im Vergleich zu Probanden, die keine Fotos mit schönen Frauen zu sehen bekamen, waren die erregten jungen Männer gewillt, sich den Luxus deutlich mehr kosten zu lassen.
Honda-Papa für Porsche-Baby?
Allerdings ist die Studie ein reines Gedankenspiel, so wie auch eine andere Befragung, die sich darum dreht, ob Frauen auf die Statussymbole der Männer wirklich so stark reagieren und erhöhte Paarungsbereitschaft zeigen. Der Befragung zufolge bewerten Frauen einen Porsche-Fahrer als attraktiver als einen Honda-Mann, allerdings nur für den schnellen Sex, nicht als langjährigen Partner in einer Ehe. [58] Das Protzen mit dem Porsche, folgert daraus Psychologe Miller, löse bei den Frauen unbewusst die Vorstellung aus, der Sportwagenbesitzer habe die begehrenswerteren Gene. Für die Aufzucht des heimlich gezeugten Porsche-Babys dagegen könne der Honda-Papa herhalten.
Inwiefern ein Produkt zum Fitness-Indikator taugt, hängt Miller zufolge ganz entscheidend von dessen Image und damit der Werbung ab. Aus evolutionärer Sicht müsse eine Anzeige sich deshalb stets an zwei Gruppen richten: einerseits an die potentiellen Käufer, die sich ein luxuriöses Auto tatsächlich leisten können; zum anderen aber auch an die vielen nicht so kaufkräftigen Menschen, welche die Anzeige sehen und das dort vermittelte Image dann auf die Käufer übertragen.
In seinem Buch versucht Miller dies anhand von BMW -Anzeigen zu belegen. Viele von ihnen richteten sich eher an die Bewunderer der Marke, um ihnen »Respekt einzuflößen vor der winzigen Minderheit, die sich die Autos leisten kann«. Ebendeshalb schalte der Hersteller Anzeigen in auflagenstarken Magazinen. Dort würden zwar nicht so viele
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