Gene sind kein Schicksal
potentielle Kunden erreicht, aber viele Menschen, bei denen der für die Vermarktung so entscheidende Respekt vor BMW -Besitzern aufgebaut wird.
Nun wird kaum ein Soziologe bestreiten, dass das Streben nach einem hohen Status eine wichtige Triebfeder des Homo oeconomicus ist. Doch wird er dabei wirklich von einem evolutionären Streben nach Fortpflanzung geleitet?
Das eindimensionale Denken und Ausblenden von Widersprüchen ist typisch für die Evolutionspsychologen. Sie greifen beliebige Facetten des menschlichen Daseins heraus und führen diese auf irgendeinen reproduktiven Nutzen zurück – bis hin zur Vergewaltigung. Auch wenn sie die Vielfalt kultureller Phänomene zu erklären versuchen, klingen ihre Argumente hohl: Warum etwa lieben Menschen Musik? Ganz einfach: Wer ein Instrument beherrschen will, der muss viel Zeit und Energie investieren, was er nur kann, weil er vorzügliche Gene hat. Folglich spielen Männer nur deshalb Gitarre, um den lauschenden Weibchen ihre genetische Fitness zu signalisieren. Die Frauen wären demnach geborene Zuhörerinnen, die sich an den besten Musikanten heranmachten.
Anthropologen können ihre Mutmaßungen über die Entstehung des Körpers wenigstens an fossilen Knochen und Schädeln festmachen – über den Ursprung des Geistes dagegen lässt sich nur rätseln und raten. Und paläontologische Funde verraten so gut wie nichts über »die sozialen Wechselwirkungen, die für die psychologische Evolution des Menschen von grundlegender Bedeutung gewesen sind«, sagt Philosoph David Buller. Ebenso wenig könne man heute von den lebenden Jägern und Sammlern auf die Ahnen schließen. Eines zumindest ist schon klar. In prähistorischer Zeit lebten Menschen und Völker in höchst unterschiedlichen Lebensräumen. Entsprechend flexibel und anpassungsfähig ist das menschliche Verhalten.
Spekulationen aus Mangel an Beweisen
Aus Mangel an fossilen Beweisen versuchen Evolutionspsychologen, ihre Mutmaßungen anhand von Befragungen und soziologischen Daten zu belegen. Aber auch hier tun sich Ungereimtheiten auf: Eine Schlüsselrolle für die Evolutionstheorie spielt beispielsweise das Verhalten der »weiblichen Doppelstrategie«. So wolle eine Frau einen Mann dauerhaft an sich binden, damit er ihre Kinder versorge. Doch nicht alle Sprösslinge müssen vom treuherzigen Familienvater sein. Deshalb begehe die Frau Seitensprünge, allerdings nur mit Männern, die genetisch »fitter« seien als der Papa zu Hause, dem sie außerehelich gezeugte Kinder dann unterschiebe. Diese angeblich evolutionär verdrahtete Neigung zum Seitensprung haben Forscher mit einer eindrucksvollen Zahl zu belegen versucht: Sage und schreibe zehn Prozent aller Menschen, in Deutschland wie auch andernorts, seien in Wahrheit Kuckuckskinder.
Eine kritische Bewertung der oft kolportierten Zahl ergibt aber: Ganz so durchtrieben sind Frauen dann doch nicht. Demnach liegt der Anteil der Kuckuckskinder bei 3 , 7 Prozent – reicht das noch aus, um eine »weibliche Doppelstrategie« zu belegen?
Ein anderes Beispiel ist der Mythos vom bösen Stiefvater. Den Evolutionspsychologen zufolge gehe es Männern nur darum, die leiblichen Kinder gedeihen zu sehen. In der Steinzeit hätten Männer etwaige Stiefkinder vernachlässigt, misshandelt oder gar getötet. So gehe das bis heute: Für Kinder, die mit einem nichtleiblichen Elternteil leben, sei das Risiko, misshandelt zu werden, 40 -mal höher als für jene, die mit der leiblichen Mutter und dem leiblichen Vater aufwachsen.
Doch wo kommt diese Zahl her? Der Philosoph David Buller hat sich die Daten genauer angeschaut – und zieht ganz andere Schlüsse. Aussagekräftige Statistiken zum Thema gebe es gar nicht. Zudem würden Übergriffe eines Stiefvaters häufiger gemeldet, während leibliche Eltern ihre Misshandlungen eher verheimlichen können. Bezogen auf schwere Gewalttaten gegen Kinder gebe es »keinen nennenswerten Unterschied« zwischen leiblichen Eltern und Stiefvätern. [59]
Evolution im Sauseschritt
Doch nicht nur an den von Evolutionspsychologen angeführten Daten mehren sich die Zweifel. Auch ihre Grundannahme hat sich – ausgerechnet durch neue Erkenntnisse der Genetiker – weitgehend in Luft aufgelöst.
Der Geist des Menschen sei auf die prähistorische Zeit gepolt, ist ja das Credo der Evolutionspsychologen. Der Körper und damit auch das Gehirn seien in der Phase des Pleistozäns (vor 1 , 8 Millionen bis 10 000 Jahren) geformt worden und
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