Gene sind kein Schicksal
Jahren zu ihrem Liebesleben sowie zu ihrem Umgang mit Geld befragt. Jene 25 Prozent, die besonders geizig und knauserig waren, hatten in den vergangenen fünf Jahren mit drei Frauen geschlafen. Dagegen hatten jene 25 Prozent der Männer, die besonders verschwenderisch waren und sogar Schulden nicht scheuten, im gleichen Zeitraum mit doppelt so vielen Partnerinnen Sex gehabt.
Sind es also evolutionär verdrahtete Verhaltensweisen, die Männer dazu bringen, auf Pump zu leben? Erklären die Gene die Gier der (mehrheitlich männlichen) Bankmanager, weil die mit immer gewaltigeren Gewinnen etwaigen Sexualpartnerinnen imponieren wollen? Daniel Kruger gibt sich davon überzeugt. Das ökonomische Verhalten von Männern diene vor allem dazu, Frauen einen hohen Status zu signalisieren. »In der Welt unserer Vorfahren galten Männer etwas, wenn sie gute Versorger waren«, sagt er. »Jetzt haben wir diese neue Konsumgesellschaft, und wir zeigen unser Potential durch die Produkte, die wir kaufen.«
Es ist eine Vorstellung, die Geoffrey Miller absolut teilt. Statt sich wie die Urahnen um das beste Weibchen zu prügeln, werde der Kampf heute erfreulicherweise gewaltfrei ausgetragen: mittels »ökonomischer Rivalität«. Miller hat ein Buch mit dem bezeichnenden Titel
Spent: Sex, Evolution and Consumer Behavior
zum Thema verfasst, in dem er schreibt: »Die Menschen entwickelten sich in kleinen sozialen Gruppen, in denen das Ansehen und der Status ungemein wichtig waren.« Dieses Erbe drücke sich heutzutage vor allem in Konsum und Kauflust aus. »Viele Produkte sind zuallererst Signale und nur an zweiter Stelle Objekte für den Gebrauch.« [55]
So wie der Hirsch sein prächtiges Geweih zeigt, so laufen Männer demnach vor allem deshalb im sündhaft teuren Anzug herum, weil sie der Welt zeigen wollen, wie kostbar doch ihre Gene sind. Eine Luxuslimousine fungiert als des Mannes Gegenstück zum Pfauenschwanz. Mit der farbenprächtigen Federschleppe signalisiert der Hahn, dass er durch und durch gesund ist und mithin über vorzügliches Erbmaterial verfügt.
Solch eine Funktion als Fitness-Indikator schreibt Psychologe Miller in seinem Buch vor allem dem Erwerb von Luxusartikeln zu, der häufig regelrecht inszeniert wird. Doch nicht nur der Millionär, sondern auch der weniger betuchte Mann sei ein »mit Fitness protzender, sich selbst liebender Verbraucher, der das ganze Leben lang durch euphemistische Werbung und Gruppenzwang dazu verführt worden ist, unsinnig Geld auszugeben«.
Das Konsumverhalten ist nur eine von vielen Verhaltensweisen, welche unsere Gene uns angeblich in grauer Vorzeit einprogrammiert haben. Ob Seitensprung, Eifersuchtsanfall oder gar Mord – die Zunft der Evolutionspsychologen sieht im Grunde alle Aspekte menschlichen Verhaltens als ein Erbe der Biologie. Evolutionär verdrahtete Motive steuerten unser Tun und Lassen, unser Sinnen und Trachten. Das Verhalten des Menschen gelte am Ende nur einem Zweck: möglichst viele und »hochwertige« Nachkommen zu zeugen.
Steht der moderne Mensch im Bann der Steinzeit? Die allermeiste Zeit seiner Entwicklungsgeschichte – etwa 99 Prozent – lebte der Mensch als Jäger und Sammler. Die Urahnen zogen in Horden von 50 bis 100 Artgenossen durch die afrikanische Savanne. In dieser Zeit habe »die natürliche Selektion allmählich das menschliche Gehirn modelliert«, sagt Leda Cosmides von der University of California in Santa Barbara ( US -Bundesstaat Kalifornien), eine besonders bekannte Evolutionspsychologin. Aus diesem Grund seien Module im Kopf verdrahtet, die das Verhalten des Menschen vorbestimmen.
Der soziale Faktor formt den Geist
Diese Betrachtung des menschlichen Verhaltens ist allerdings umstritten. Gewiss: Stoffwechsel und Fortpflanzung sind biologische Erbschaften aus dem Tierreich, und natürlich ist unser Körper ein Erbe der Evolution. Das merkt jeder, dem das Kreuz weh tut – Rückenschmerzen sind die Folge des aufrechten Ganges.
Ganz anders sieht es aber mit dem Geist aus. Die Nervenzellen sind die stoffliche Basis für die Kognition; unser Denken ist aber davon entkoppelt. Für Sprache und andere kognitive Fähigkeiten existieren keine festgelegten genetischen Programme. Mentalität, Verhaltensweisen und Kultur nehmen heranwachsende Kinder auf, weil sie in ihrer jeweiligen Gruppe sozialisiert werden. Emile Durkheim, der Vater der modernen Soziologie, beschreibt die menschliche Natur als »Rohstoff, den der soziale Faktor formt und
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