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Generalprobe Zeitballett

Generalprobe Zeitballett

Titel: Generalprobe Zeitballett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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viel er­tra­gen müs­sen wie die bra­ve ROD­KON-WHU in je­nen Ge­wäs­sern, die in der Real­zeit we­gen der über­wie­gend ru­hi­gen Groß­wet­ter­la­ge be­liebt wa­ren.
    Von ei­nem Pas­sat war nichts zu spü­ren. Der Wind schral­te stän­dig, schlug ur­plötz­lich um acht­zig bis hun­dert­sech­zig Grad um und ver­än­der­te da­bei noch sei­ne Stär­ke.
    Wenn ir­gend­wo im Nor­den eis­kal­te Luft­mas­sen auf er­hitz­te, äqua­to­ria­le Strö­mun­gen prall­ten, be­ka­men wir das kurz dar­auf und völ­lig war­nungs­los zu spü­ren.
    Die Fol­ge der ex­tre­men Be­din­gun­gen war, daß wir kaum ein­mal zwei bis drei Stun­den lang auf Kurs blei­ben konn­ten.
    Wenn ich den Be­griff »Frei­wa­che« er­wähn­te, hat­ten die Män­ner nur noch ein sar­kas­ti­sches Lä­cheln üb­rig, denn zum aus­ge­dehn­ten Schlaf kam nie­mand.
    Wenn der Wind um­sprang und die eben noch hart am Wind lie­gen­de ROD­KON-WHU den Druck plötz­lich von Back­bord quer­ab zu spü­ren be­kam, glich das ei­nem ge­woll­ten Back­bras­sen.
    Die Fahrt ging so­fort aus dem Schiff her­aus. Wahn­wit­zig kil­len­de Se­gel täusch­ten ei­ne Se­rie von Ka­no­nen­schüs­sen vor, und die mast­ver­län­gern­den Sten­gen schie­nen wie­der ein­mal bre­chen zu wol­len.
    Das be­deu­te­te, daß wir stän­dig an den Bras­sen zu ste­hen hat­ten, um zu ver­su­chen, bei den ex­trem schnell und hart um­schwen­ken­den Win­den die Ra­hen schnells­tens neu aus­zu­rich­ten. An ih­nen wa­ren schließ­lich die Rah­se­gel be­fes­tigt, die dem Wind­ein­fall ent­spre­chend ge­setzt wer­den muß­ten.
    Es war ei­ne see­män­ni­sche Höl­le. Sie ließ mich ver­ste­hen, warum nur we­ni­ge Ka­pi­tä­ne die Über­fahrt wag­ten.
    »Viel­leicht kommt ihr bald mit dem Groß­sten­ges­tag­se­gel klar«, tob­te Al­li­son. »Be­le­ron, las­sen Sie ge­fäl­ligst Ih­re Leu­te mit den Bras­sen aus­lau­fen. Ver­dammt – nicht Hand über Hand zie­hen; aus­lau­fen, ha­be ich ge­sagt. Her­um mit der Groß­mars­rah. Ru­der­gän­ger – ab­fal­len. Mann, ab­fal­len! Kon­nat, las­sen Sie kei­nes­falls den La­tei­ner­be­san aus­rau­schen. Se­hen Sie sich das mal an. Be­le­gen Sie ge­fäl­ligst die lo­sen En­den. Ihr Brü­der hät­tet in die Hän­de ei­nes Kom­man­dan­ten Sei­ner Bri­tan­ni­schen Ma­je­stät zu Nel­sons Zei­ten ge­hört. Be­grei­fen Sie ei­gent­lich nicht, was ich mit ab­fal­len mei­ne? Sie sind ge­meint, Herr Ru­der­gän­ger.«
    Ich um­klam­mer­te flu­chend die Steu­er­bord­kreuzwan­ten, schüt­tel­te den nächs­ten Was­ser­guß von mir ab und war­te­te dar­auf, daß ei­ni­ge Spie­re von oben ka­men. Zwei Män­ner hin­gen im Kreuz­mars und be­müh­ten sich, das Reff im Be­san­mars­se­gel er­neut ein­zu­ste­cken.
    Die ROD­KON-WHU fiel wild rol­lend ab, spür­te dann den Druck in den schnell her­um­kom­men­den Se­geln und wur­de wie­der steu­er­bar.
    »Ach­tern stüt­zen. Das ist mir zu lasch«, don­ner­te Al­li­sons Tau­send­watt-Stim­me. »Här­ter an­bras­sen das Be­san­mars­se­gel. Ja, gut so. Be­le­ge das.«
    Ich sprang über das Hüt­ten­deck nach vorn, um­klam­mer­te die Re­ling zum tiefer­lie­gen­den Ach­ter­deck und starr­te auf den Kom­paß, den wir zu­sätz­lich in­stal­liert hat­ten.
    Durch das Ma­nö­ver war das Schiff er­neut vom Ziel­kurs ab­ge­kom­men. Es lag nun auf drei­hun­dert­vier­zig Grad, al­so fast auf Nord­kurs.
    Nis­hi­mu­ra tauch­te aus dem mil­chi­gen Dunst auf. Es war hel­ler Tag, die süd­li­che Son­ne stand im Ze­nit, aber die plötz­lich auf­tau­chen­de Ne­bel­bank war hier so ty­pisch wie die Glet­scher in der Hö­he vom heu­ti­gen Lon­don.
    »Treib­eis!« schrie mir Kenji zu. »Wenn man so un­ver­hofft in ei­ne Wasch­kü­che kommt, kann man da­mit rech­nen. Sie soll­ten ge­gen die Süd­west­bri­se auf­kreu­zen las­sen, oder wir kra­chen in ein Schol­len­feld hin­ein. Es wä­re nicht das ers­te Mal.«
    »Auf­kreu­zen?« lach­te ich hu­mor­los und ging vor ei­nem ach­tern über­kom­men­den Bre­cher in De­ckung. »Mit wem, Kenji? Mit knapp sech­zig kör­per­lich fer­ti­gen Män­nern? Es ist ei­ne Zu­mu­tung, al­le Au­gen­bli­cke über Stag ge­hen zu

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