Generalprobe Zeitballett
müssen. Wir bleiben auf Kurs, bis der Wind erneut umschlägt. Dann sehen wir weiter.«
»Mit Captain Beleron sind einundfünfzig hochtrainierte GWA-Überlebensspezialisten an Bord gekommen«, warf er mir vor. »Sir, von solchen Männern sollte erwartet werden, daß sie den physischen Anstrengungen gerecht werden. Die Seefahrer dieser Epoche können das auch.«
»Die haben ja auch von der Pike auf gelernt und ein Leben lang nichts anderes getan. Haben Sie sich die Muskelwülste der Nordlandprimitiven einmal angesehen? Da können wir nicht mithalten. He, Rudergänger – bleiben Sie auf Kurs. Alle Offiziere und Wissenschaftler unter Deck. Ich möchte Sie in der Kajüte sehen. Sofort! Geben Sie das weiter, Doktor. Wir haben eine andere Lösung zu finden.«
»Sir, wir können doch nicht …«
»Wir können alles, wenn es darum geht, die Aufgabe endlich zu erfüllen. Wir sind nicht einmal am Einsatzort angekommen. Oben im freien Raum greifen soeben die Deneber mit einer riesigen Schlachtflotte den Mars an. Das wissen wir aus der Geschichte. Dort sterben jetzt Millionen, vielleicht Milliarden Marsianer unter dem Roten Leuchten, der denebischen Offensivwaffe. Und wir hängen hier im Atlantischen Arm und kommen nicht voran. Geben Sie meine Anordnung weiter. Eine feine Einsatzexpedition ist das.«
»Generalprobe Zeitballett«, teilte mir Hannibal telepathisch mit. »Wenn dabei alles schiefgeht, kann man auf später hoffen.«
»Optimist. Ich denke an die verstreichende Zeit. Übergib deinen Ortungssichter an Leutnant Authry. Er kann damit auch feststellen, wann wir auf das Treibeis treffen.«
Der Nebel wurde dichter. Der Sturm mäßigte sich etwas, aber der Seegang blieb. Unmittelbar vor dem Eisfeld würde es wieder zu unberechenbaren Wirbelströmungen und Fallwinden kommen. Hühnereigroße Hagelkörner waren keine Seltenheit, und unverhoffte Flautensektoren inmitten des wilden Elementengetümmels hatten wir schon mehr als einmal erlebt.
Nein, ich war nicht länger bereit, die Launen einer durcheinandergeratenen Natur zu tolerieren. Wozu hatten wir unsere hochstehende Technik! Für meine Begriffe hatten wir lange genug zeitgenössisch exakt gehandelt. Jetzt langte es!
Ich kam völlig durchnäßt und steifgefroren in der kleinen Achterdeckkajüte an. Sie besaß keine großartig verzierten Balkone oder buntverglaste Fenster, wie das auf großen Segelschiffen des 17. Jahrhunderts üblich gewesen war.
Solche Scherze konnten sich die Seefahrer der eiszeitlichen Erde nicht erlauben. Die prächtigen Heckverzierungen wären augenblicklich von den Brechern zerschlagen worden. Wenn sie gar noch zentnerschwere Treibeisbrocken nach oben schleuderten und sie gegen die Schiffswandungen donnerten, dann half nur eine grundsolide Konstruktion von höchster statischer Steifheit, dicken, eisenharten Hölzern und metallbeschlagenen Flanken. Ein Segler unserer Zeit hätte in diesem Chaos keine fünfhundert Seemeilen geschafft. Das war uns mittlerweile klargeworden.
Der Zwerg erschien zuerst.
Er zog sich wortlos seine Wetterkleidung aus. Sie war zeitgemäß und bestand aus dickem Leinen, dessen Poren mit Pech wasserabweisend verschlossen waren.
Hannibals rote Haarborsten hatten die Farbe des Dichtungsmaterials angenommen, was mir bewies, daß dieses Pech entweder doch nicht wasserfest war, oder unser seltsamer GWA-Major strahlte unerhörte Hitzewellen aus. Da bei Hannibal Utan nichts unmöglich war, nahm ich Letzteres an.
»Zum Anbeißen schaust du aus, Kleiner. Hast du deine Manöverstation über dem Ofenrohr der Kombüse
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