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Generalprobe Zeitballett

Generalprobe Zeitballett

Titel: Generalprobe Zeitballett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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be­zo­gen?«
    Sei­ne Zun­ge fuhr über die salz­ver­krus­te­ten Lip­pen. Sie wirk­ten noch di­cker und brei­ter als sonst. Die Ant­wort war be­zeich­nend.
    »Du hät­test auf der Back schon längst ab­ge­baut, du Höl­len­hund. Wer hat dir im­mer emp­foh­len, was­ser­fes­te Iso­la­ti­ons­an­zü­ge an Bord zu neh­men? Müs­sen wir un­be­dingt zum Eis­klum­pen er­star­ren, um zehn Mi­nu­ten spä­ter bei­na­he ge­bra­ten zu wer­den? Wir be­fin­den uns in süd­li­chen Ge­wäs­sern, et­wa auf der Hö­he des heu­ti­gen Ca­sab­lan­ca.«
    »Ge­nau, Klei­ner. Des­halb hast du die strah­len­de Son­ne zu grü­ßen. Das ge­hört sich in sub­tro­pi­schen Zo­nen.«
    »Sub­tro­pi­sche Zo­nen?« tob­te er. »Mann, zwan­zig Mei­len vor­aus kommt ein Eis­feld an­ga­lop­piert. Fei­xe nicht, das sieht ge­nau so aus.«
    »Dei­ne Ver­glei­che ver­lie­ren hier ih­re An­rü­chig­keit. Das sieht tat­säch­lich so aus. Die Mee­res­s­trö­mun­gen un­ter­halb der süd­wärts trei­ben­den Eis­mas­sen …«
    »Von Er­klä­run­gen je­der Art ha­be ich ge­nug«, un­ter­brach er mich. Sein trie­fen­der Um­hang flog an mir vor­bei und lan­de­te auf ei­ner höl­zer­nen Tru­he. »Mehr als ge­nug. Wie groß ist die Ent­fer­nung zwi­schen Whu­ro­la und der at­lan­ti­schen Stadt Bay­ronur?«
    »Ex­akt zwei­tau­send­vier­zig Ki­lo­me­ter. Die Um­rech­nung in See­mei­len will ich dir er­spa­ren.«
    »Hei­ßen Dank. Rund zwei­tau­send Ki­lo­me­ter kön­nen von ei­nem ei­ni­ger­ma­ßen gu­ten Seg­ler in knapp sechs Ta­gen zu­rück­ge­legt wer­den. Oder stimmt das et­wa nicht? Die ROD­KON-WHU läuft un­ter vol­len Se­geln et­was über acht Kno­ten. Das sind rund fünf­zehn Ki­lo­me­ter die Stun­de. Mal vier­und­zwan­zig, denn so­viel Stun­den hat ein Tag, wä­ren das täg­lich drei­hun­dert­sech­zig Ki­lo­me­ter. Mal sechs ist schon mehr, als wir brau­chen. Und wie lan­ge sind wir un­ter­wegs?«
    Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die feuch­te Stirn und brei­te­te die von He­dsche­nin über­reich­ten Kar­ten aus. Ei­ne da­von zeig­te ei­ne Ge­samt­über­sicht.
    »Wie lan­ge?« dräng­te Han­ni­bal. »Großer, schie­be das Pro­blem nicht vor dir her.«
    »Ich bin so­eben da­bei, es zu be­sei­ti­gen.«
    »Wie? Wir hät­ten schwe­re Au­ßen­bord­mo­to­ren oder ein Strahl­trieb­werk oder mei­net­we­gen einen Pro­pel­ler­mo­tor an Bord neh­men sol­len. Das war mein Vor­schlag, Herr Bri­ga­de­ge­ne­ral! Und wer hat ihn ab­ge­lehnt?«
    »Der be­sag­te Bri­ga­de­ge­ne­ral, näm­lich mei­ne We­nig­keit. An Bord der ROD­KON-WHU wird nichts lau­fen oder in­stal­liert wer­den, was bei der ge­ring­fü­gigs­ten Un­ter­su­chung ent­deckt wer­den könn­te. Ja, ich weiß, daß du die Aus­rüs­tung ver­sen­ken woll­test. Aber die In­stal­la­ti­ons­be­schä­di­gun­gen wä­ren nicht ein­wand­frei zu be­sei­ti­gen ge­we­sen.«
    »Von we­gen. Un­ter­schät­ze nicht un­se­re Ex­per­ten.«
    »Sie sind Ko­ry­phä­en, aber die Mar­sia­ner kön­nen mehr. An Bord die­ses höl­zer­nen Schif­fes wird kein ir­gend­wie ge­ar­te­ter Mo­tor ein­ge­baut wer­den. Es be­darf in je­dem Fall spe­zi­el­ler Hal­te­run­gen, Schub­ver­stei­fun­gen, Boh­run­gen und Frä­sun­gen. Das Holz ist nun ein­mal maß­ge­recht auf einen Seg­ler zu­ge­schnit­ten. Kei­nen Kom­men­tar mehr, Klei­ner. Wir fin­den ei­ne an­de­re Lö­sung, ei­ne un­auf­fäl­li­ge.«
    »Präch­tig«, höhn­te er. »Und wie soll die aus­se­hen? Stun­den­lang ge­gen wid­ri­ge Win­de auf­kreu­zen und viel­leicht drei Mo­na­te brau­chen, bis wir die at­lan­ti­sche Küs­te in Hö­he des drei­ßigs­ten Brei­ten­grads Nord er­reicht ha­ben? Da sol­len die Ver­hält­nis­se ja plötz­lich ide­al wer­den.«
    »Na­tür­lich. Die Mar­sia­ner ha­ben et­was ge­gen stän­dig um­schla­gen­de Or­ka­ne und Eis­ber­ge. Sie eli­mi­nie­ren sie mit Hoch­ener­gie­kraft­fel­dern. Dei­ne Rech­nung stimmt nicht, Klei­ner! Bei idea­len Wet­ter­ver­hält­nis­sen, ru­hi­ger See und ei­ner be­stän­di­gen Bri­se aus Nord­ost bis Ost könn­ten wir ein Et­mal von drei­hun­dert­sech­zig Ki­lo­me­ter er­rei­chen. Dann

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