Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Generation A

Generation A

Titel: Generation A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
unserer neuen Inselheimat schwankte er übergangslos zwischen ehrfürchtigem Staunen und Angeödetsein und ehrfürchtigem Staunen und wieder Angeödetsein, bis er sich schließlich für Quengeligkeit entschied.
    Wir wohnten in einem Städtchen namens Masset (Einwohnerzahl 770 ), in einem der vielen von der Regierung gebauten Häuser, die aufgegeben worden waren, als die kanadische Regierung in den 198o ern ihre hiesige Radarstation stillegte. Seit damals hatten die Gebäude auf ihren baumlosen Parzellen entweder leer gestanden, waren von Hippies umgebaut worden, waren verwüstet, niedergebrannt oder in Lachsräuchereien umgemodelt worden oder man hatte sie, wie in unserem Fall, gerade so weit instand gehalten, dass sie noch bewohnbar waren. Es hätte auch ein Haus in meiner Gegend in Northern Ontario sein können, für Julien aber war es eine bessere Crackhöhle. Er krallte sich prompt das beste Zimmer »das beste« bedeutete in diesem Fall, dass man noch gerade eben ein Fitzelchen Meer sehen konnte. Aus meinem Fenster sah man auf die verkohlten Reste eines baugleichen Hauses, das, nach der Größe der Sträucher mit Brombeeren und amerikanischen Heidelbeeren darin zu folgern, noch vor 9 /11 niedergebrannt worden war.
    »Oh, Diana«, sagte Julien, »wir werden wie die Tiere auf einem Bauernhof leben müssen.«
    »Jammer nicht. Wir haben alles, was wir brauchen.« Trotzdem, die Bude erinnerte an eine Reha-Einrichtung für Strafentlassene, möbliert mit Hilfe von zweihundert Dollar und einem Traum, der schon auf halbem Weg zum Trödelladen verhungert war. »Versuch das einfach als Abenteuer zu betrachten, Julien.«
    Wir kauften uns Fisch bei den Einheimischen, während wir noch darauf warteten, dass ein Versorgungsboot den weiten Weg vom Festland hierher fand. Diese Einheimischen gehörten allesamt zum Stamm der Haidas (die Nicht-Haidas hatten sie vor ein paar Jahren rausgeschmissen), und sie tolerierten uns nur, weil Serge sie überzeugt hatte, dass unsere Anwesenheit vielleicht auf irgendeine Weise die Bienen zurückbringen könnte. Ihre Einstellung wurde jedenfalls deutlich, als sie am ersten Abend bei Sonnenuntergang auftauchten und alles im Haus unter die Lupe nahmen wie ein CSI-Team auf Spurensuche. »Sie suchen nach Solon«, erklärte Serge.
    »Das ist hier verboten.«
    »Ehrlich? Wieso das?«
    »Weil man, sobald man Solon nimmt, das Interesse am eigenen Stamm verliert.“
    »Echt?“
    »Echt.«
    Nach meiner erschreckenden Reaktion auf den bloßen Geruch der Blisterpackung war ich froh, dass Solon auf der Insel verboten war.
    Während jener ersten Tage machten wir nichts anderes, als im Ort herumzuspazieren und zu versuchen, möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Die meisten der rund ein Dutzend Geschäfte in Masset waren aufgegeben, und in den breiten Straßen lungerten Krähen und Raben wie gelangweilte Teenager herum.
    Die Haidas versuchten, ihre alte Lebensweise mit Fischen und Jagen wieder aufzunehmen. Am Ende einer kleinen Straße, dort, wo einst ein Genossenschaftsladen gewesen war, standen nun Gestelle mit gehäuteten Sitka-Hirschen, die darauf warteten, zu Pemmikan verarbeitet zu werden. Als eingeschleppte Art durchstreiften die Hirsche die Insel, vermehrten sich wie Ratten und waren ein köstlicher und immer verfügbarer Schmaus.
    Nach einer Woche kam Serge runter an den Strand, wo Julien und ich Steine über ein Meer titschen ließen, das gespenstischerweise glatt wie Glas war, da die Aleutenströmung an den Inseln entlangfegte wie Stahlwolle. »Zack und Sam schließen sich uns morgen an«, sagte er.
    »Echt?«
    »Echt.«
    Am Abend feierten wir bei Hirschragout und Löwenzahnwein, bekamen einen kleinen Schwips und beschlossen dann aus Langeweile, jeden Winkel des Hauses nach Hinweisen auf seine früheren Bewohner zu durchsuchen. Ganz hinten im Badezimmerschränkchen fanden wir eine uralte, eingetrocknete Tube Tweety-Erdbeer-Zahnpasta mit klinisch getestetem Fluorschutz.
    »Und guck«, sagte Julien, »sogar in einer praktischen Patent-Aufstelltube.«
    Unsere Blicke trafen sich.
    Unsere Blicke wanderten wieder zu Tweetys groteskem Körper und Kopf.
    Unsere Blicke trafen sich erneut.
    Ich sagte: »Klären wir eins vorweg: Tweety - homo oder hetero?“
    »Totaler kreischender Homo, denke ich. Oder zumindest ein Eunuch.«
    »Julien, wir haben doch noch gar nicht geklärt, ob Tweety ein Junge oder ein Mädchen ist.«
    »Guter Einwand. Ich dachte immer, Junge, aber jetzt, wo du das ansprichst, bin ich

Weitere Kostenlose Bücher